Veröffentlicht inRegion

Damit niemand ins Bodenlose stürzt…

Damit niemand ins Bodenlose stürzt…

An Rhein und Ruhr. 

Immer wieder bricht dem Ruhrgebiet der Boden unter den Füßen weg. Selten so spektakulär wie vor knapp zwei Jahren, als bei Dortmund der Untergrund der Sauerlandlinie A 45 absackte oder im Jahr 2000, als sich in einer Bochumer Siedlung ein 30 Meter tiefer Krater auftat und eine Garage nebst zwei Autos verschluckte. Risiko Tagesbruch! „Wir gehen davon aus, dass wir die Schächte alle im Griff haben“, sagt RAG-Direktor Prof. Peter Fischer. Realität sind jedoch auch die vielen kleineren Tagesbrüche; 163 waren es allein im vergangenen Jahr.

Nun reden alle über den Essener Hauptbahnhof, der die Intercitys auf Tempo 5 abbremst, Deutschlands Bahnfahrpläne durcheinanderwirbelt und Pendler Nerven kostet. Wochen kann das noch dauern, bis die vom Bergbau hinterlassenen Hohlräume unter den Gleisen mit Spezialbeton verfüllt sind. Weniger bekannt ist, dass permanent an vielen Stellen im Ruhrgebiet Beton in den Untergrund gepresst wird, um diesen zu sichern.

„So lange Wasser sprudelt, stößt der Bohrer auf festes Gestein“

Hinter dem Schulhof der Bochumer Grundschule An der Maarbrücke drückt sich der gigantische Bohrer zum xten Mal in die Erde. Vor zwei Monaten hat die Ruhrkohle AG hier, in Bochum Goldhamme, begonnen, den Untergrund zu untersuchen. Geschichtsträchtiger Boden ist das. 1840 wurde ganz in der Nähe die Zeche Präsident begründet. Hier begann der Bergarbeiterstreik von 1889, hier kam es mehrfach zu Schlagwetterexplosionen mit vielen Toten. Und nun sucht die RAG an dieser Stelle nach gefährlichen Überresten dieses Bergbaus.

„Nur südlich der A 40 ist der Bergbau so nah an der Erdoberfläche betrieben worden, also maximal 100 Meter tief, dass Hohlräume zu einem Problem werden könnten. Seit 2008 sanieren wir nach und nach, 30 bis 35 Schächte pro Jahr“, erklärt RAG-Direktor Fischer. Und genau das geschieht auch gerade in Bochum-Goldhamme, wo aus dem Gestänge des Bohrers sprudelnd Grundwasser herausfließt. „Solange das Wasser so sprudelt, stößt der Bohrer unten, in der Tiefe, auf festes Gestein. Wenn es dort versickert, haben wir einen Hinweis auf Risse, auf Hohlräume“, erklärt Projektleiterin Karin Wiethoff.

Bislang läuft alles gut, scheint die Erde unter der Schule sicher zu sein. Doch noch ist die Arbeit nicht abgeschlossen, noch schieben sie immer wieder dieses Rasenmäher-ähnliche Gerät über die Fläche, das Radarwellen aussendet, um Rohrleitungen und Kabel zu entdecken. Noch untersuchen sie mit Elektroden das Deckgebirge über den Flözen, den Lagerstätten der Kohle. 80 Bohrlöcher mögen es am Ende sein, mit denen sie den Boden bis in 50 Meter Tiefe sondieren. Löcher, die ebenso wie die am Essener Hauptbahnhof wieder verfüllt werden müssen.

In Dortmund-Aplerbeck pressten sie Anfang des Jahres 6500 Tonnen Beton in die Tiefe, um eine kleine 50er-Jahre-Siedlung zu retten. Einem Anwohner war zuvor eine kleine Mulde aufgefallen. Die zur Hilfe gerufenen RAG-Mitarbeiter stellten in nur 26 Meter Tiefe Hohlräume fest, von denen sie bis dahin nichts gewusst hatten. Die ganze Siedlung war nach dem Krieg parallel zu Kohleflözen errichtet worden. Da gab es dann keine Alternative: Die Häuser wurden geräumt, die Gärten durch schweres Gerät „auf links gedreht“. Alle fünf Meter bohrten sie Löcher, um Beton in die Tiefe zu schicken. „Der Bergbau war hier von 1880. Wir erlebten bei den Bewohnern schon eine gewisse Dankbarkeit, dass wir uns kümmerten“, sagt RAG-Ingenieur Frank Wollnik.

„Der Untergrund ist fest“

An der Grundschule in Bochum-Goldhamme suppt es in diesem Moment schwarz aus dem Bohrgestänge. „Kohle!“, sagt einer der Ingenieure und alle um ihn herum strahlen, als ob sie auf eine Goldader gestoßen wären. „Das ist ein guter Moment“, erklärt Projektleiterin Karin Wiethoff, „das ist der Beleg, dass in der Tiefe noch nicht alles abgebaut, dass der Untergrund fest ist. Das stimmt uns glücklich“.