Chaos in Köln – Riesenrummel um Boyband One Direction
Eine Autogrammstunde, die aus dem Ruder lief: Statt der angemeldeten 800 Fans kamen 5000 Teenager, um die britische Boyband One Direction zu sehen. Die Polizei musste mit 100 Einsatzkräften Schlimmeres verhindern – trotzdem kippten 63 junge Leute im Gedränge um..
Köln.
Soll noch einer sagen, die deutsche Jugend kommt nicht aus dem Bett. Die Sonne geht gerade auf, da stehen schon ein paar Hundert Teenager auf dem Platz des Mediaparks in Köln. Und gut eine Stunde später sind es bereits so viele, dass besorgte Eltern bei der Polizei anrufen, von einem „Riesenchaos“ sprechen und warnen, es werde wohl noch schlimmer werden, denn: „Da kommen doch die Jungs von One Direction.“
„Das hat mir“, gibt der Kölner Polizeisprecher Andreas Full zu, „erst mal nichts gesagt.“ Das sagt vielen nichts in Deutschland. Es sei denn, sie sind weiblich und zwischen zwölf und 16 Jahren alt. Oder sie haben Töchter in diesem Alter. Dann wissen sie zumindest, dass One Direction eine Boy Band sind. Was heißt eine. DIE Boyband des Jahres. Vielleicht sogar der nächsten Jahre. Ihre Kinder wissen noch mehr. Sie nennen das Quintett kurz „1D“, haben ihre Zimmer mit Postern der fünf tapeziert und kennen – im Gegensatz zu Mathe-Formeln oder Englischvokabeln – jeden Song des ersten Albums auswendig. 6,3 Millionen Facebook-Fans hat die Band mittlerweile. Knapp 100000 davon kommen aus Deutschland.
Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen
Das reicht, um den Mediapark zu füllen, auch wenn die Band gar nicht singen wird an diesem Tag, sondern nur Autogramme gibt. Und auch davon nur 800. „Deshalb bin ich ja so früh gekommen“, sagt Vanessa (16), die sich schon morgens um 5 Uhr in Duisburg in den Zug gesetzt hat.
Hat nichts genutzt. Denn als wenig später Polizei und Feuerwehr – durch kurze Recherche im Internet mittlerweile ahnend, was da auf sie zukommt – mit einem Großaufgebot anrücken, müssen die seit dem Morgengrauen besetzen Plätze vor der provisorisch erbauten Bühne geräumt werden. Die Ordnungskräfte stufen die Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters nämlich als „unzureichend“ ein. „Vorsichtig ausgedrückt“, sagt Full. Deshalb werden Absperrgitter aufgestellt, Sanitätszelte aufgebaut sowie eine Hundertschaft angefordert, die gegen Mittag eintrifft.
Verkehr zusammengebrochen
Da ist der Verkehr rund um den Park kleinräumig zusammengebrochen und vor der Bühne tummeln sich knapp 5000 Fans. 63 von ihnen landen im Laufe des Nachmittags bei Feuerwehr oder DRK. Weil ihr Kreislauf nicht mehr mitspielt oder sie gefallen sind. „Nichts ernstes“, sagt ein Feuerwehrsprecher und spricht von „normalen Vorfällen bei so einer Veranstaltung“.
Für die immer noch in den Mediapark strömenden Fans hat die Polizei schlechte Nachrichten. „Ihr kriegt keine Autogramme mehr“, behaupten die Beamten. „Besser, ihr geht nach Hause.“ Bringt aber nicht viel. Genauso gut könnte man Sebastian Vettel auffordern, doch bitte auf der langen Gerade zu mal zu bremsen.
Aber im großen und ganzen bleibt es ruhig. Wenn gestritten wird, dann nur darüber, wer denn nun der süßeste Boy in der Band ist. Klare Vorteile sind für keinen des Quintetts erkennbar. Denn alle fünf sehen gut aus und bedienen unterschiedliche Typen. Da gibt es Harry Styles (18), den „Draufgänger“ mit dem Lockenkopf, Liam Payne (19), den „Braven“, den „Blondschopf“ Niall Horan (19), den vorwitzigen Louis Tomlinson (20) und Zayn Malik (19), die wohl beste Stimme der Gruppe. Vier Engländer und ein Irländer, die sich einzeln und unabhängig voneinander vor zwei Jahren bei der britischen Ausgabe der Casting-Show „X-Factor“ bewarben, von der Jury aber zu einer Band gemacht wurden. Und auch wenn es am Ende nur zu Platz drei reichte, wird Simon Cowell auf die Gruppe aufmerksam.
Drei MTV-Awards und in den Charts ganz oben
Cowell ist so etwas wie die englische Ausgabe von Dieter Bohlen. Nur viel erfolgreicher. Er stellt der Band ein paar erfolgreiche schwedische Hitschreiber zur Seite und produziert Songs wie den Nummer-Eins-Hit „What Makes You Beautiful“. Keine klassische Liebesschnulze, wie sie Boy Bands früher gerne anstimmten, sondern zeitgemäßer Jungmädchen-Pop. „Kann ich mir auch anhören, sagt Marion Wagner, die ihre Tochter nach Köln begleitet hat. Drei MTV-Video Music Awards hat One Direction vor zwei Wochen kassiert und das erste Album rund um den Globus ganz oben in den Charts platziert. Angeblich hat die Band in den letzten zwei Jahren rund 300 Millionen Pfund eingespielt.
Für eine ordentliche Uhr hat es offenbar trotzdem nicht gereicht. Denn erst mit 40 Minuten Verspätung betritt die Gruppe um zwanzig vor fünf die Bühne im Mediapark. Augenblicklich erreicht der Lärm den Pegel eines startenden Düsenjets. Nur dass der irgendwann abhebt.
„Oh mein Gott, ich habe Harry berührt.“
Die Mädchen nicht. Zitternd und kreischend dürfen 800 auserwählte Fans ihre Autogramme abholen. Manche hüpfen und lachen anschließend vor Freude. „Den „geilsten Tag meines Lebens“ nennt Jessica (15) die Sekunden auf der Bühne. Andere pressen die unterschriebene CD weinend an ihren Oberkörper und sind mit den Nerven am Ende: „Oh mein Gott, ich habe Harry berührt.“
Vor den Gittern wird auch geweint, als die Autogrammstunde nach 90 Minuten vorüber ist. Aus Frust, aus Enttäuschung, keinen Schriftzug bekommen zu haben. Meist aber nur kurz. „Immerhin habe ich sie gesehen“, sagt Cassandra. „Ich bevorzuge Niall“, hat sie auf ihre Tasche geschrieben. Und das gleich in sieben verschiedenen Sprachen. „Bei Google nachgeguckt, erzählt die 14-Jährige aus Wiesbaden. Soll noch einer sagen, die deutsche Jugend tut nichts für ihre Bildung.