An Rhein und Ruhr.
Wo Irrtum und Tod zusammenkommen, entsteht eine Tragödie. Der Irrtum bestand im Falle der deutschen Kommunisten darin, dass ihre tonangebenden Leute die Machtergreifung der Nazis eigentlich begrüßten. Denn schematisch wie sie dachten, konnte die Kanzlerschaft eines Mannes wie Hitler nur bedeuten, dass das System vor dem Kollaps stand – und die Revolution nun nicht mehr fern war. Aber dann kam alles ganz anders. Reichstagsbrand, Hetzjagd, tausendfaches Morden: 20 000 deutsche Kommunisten fanden bis 1945 im Widerstand gegen das Nazi-Regime den Tod.
Am Abend des 27. Februar 1933 schlugen die Flammen aus dem Plenarsaal des Reichstags. Sie waren kaum gelöscht, da war der holländische Linksextremist Marinus van der Lubbe schon als geständiger Täter vernommen – und die Polizeikräfte überall im Reich bekamen Anweisung, führende Kommunisten zu verhaften. „Es gibt jetzt kein Erbarmen“, sagte Hitler. „Alles ist festzusetzen, was mit den Kommunisten im Bunde steht.“
Binnen einer Woche kamen in Oberhausen über 200 Kommunisten in Haft, in Düsseldorf 350. Die Haftanstalten quollen über, und so entstanden wilde Gefängnisse, Folterkeller und die ersten Konzentrationslager. Unter den Prügelstätten erlangte die Steinwache in Dortmund traurige Berühmtheit, von den 2000 Menschen, die allein 1933 die gefürchtete „Hölle Westdeutschlands“ durchliefen, wurden etwa 100 gleich hier ermordet, gebilligt zumindest von Teilen der Bevölkerung. Über die Verhaftungen berichteten sogar Zeitungen.
Kommunisten und Nationalsozialisten hatten sich in den 20er- und frühen 30er-Jahren mit Überfällen, Straßenschlachten und Attentaten bekriegt. Auf Augenhöhe. Damals gab es im Ruhrgebiet noch kompakte Arbeiterviertel wie den legendären Essener Segeroth. Kein Nazi hätte sich in Uniform in die von den Kommunisten beherrschten Straßen getraut, doch das änderte sich, als Hitler Reichskanzler wurde. Per Erlass beförderte er SA, SS und Stahlhelm zur Hilfspolizei. Jetzt hatten sie Schutzpolizisten an ihrer Seite und trauten sich auch in die Straßen der KPD – mit Schusswaffen, die sie von der Polizei bekommen hatten.
Die größte Razzia gegen die KPD gab es in Düsseldorf
Nach dem Reichstagsbrand durchkämmten die Nazis in den Arbeitervierteln Haus für Haus, Wohnung für Wohnung. „Das war ein riesiger Schock für die Kommunisten“, sagt Daniel Schmidt vom Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte. „Sie mussten auf einmal erkennen, dass es auf ihrem eigenen Terrain keinen Schutz mehr gab.“ Die größte Razzia erlebte Düsseldorf. Die Straßen um die Gerresheimer Glashütte waren eine Hochburg der KPD. Rund 3000 Mann von SA, SS, Polizei, Stahlhelm und sogar Feuerwehr bereiteten dem am 5. Mai ein Ende: Zwischen vier und fünf Uhr morgens durchkämmten sie die Häuser, fanden Waffen und Flugblätter, verprügelten und verschleppten die Männer. Gegen Mittag wurden die Verhafteten in einem „Schandmarsch“ durch die Stadt getrieben. Musikern der kommunistischen Kapelle hatte man ihre Trommeln über den Kopf geschlagen.
Die Kommunisten waren die ersten Opfer des Regimes. Sie zu vernichten, entsprach dem Bedürfnis der Nazis nach Rache. Zugleich war das Vorgehen von SA und SS strategisch: Indem sie zuerst auf die Kommunisten losgingen, konnten sie die Polizei als Partner gewinnen, denn die Mehrheit der Polizisten pflegte eine tiefe Feindschaft zu den Kommunisten. „Es galten nun Dinge als machbar, von denen mancher Beamte wenige Wochen zuvor nur geträumt hatte“, sagt Schmidt. Polizisten, die die Betroffenen vor Verhaftung warnten, blieben die Ausnahme.
So formten die Nazis die Polizei zu einem Werkzeug, mit dem sie dann auch gegen andere Gruppen vorgehen konnten. Nur eine Woche nach dem Reichstagsbrand war die SPD an der Reihe.