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Ärzteplanung am Niederrhein – „ein Drama hoch drei“

Ärzteplanung am Niederrhein – „ein Drama hoch drei“

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Foto: AG
Eine Elterninitiative aus Kleve weist in einer Studie erstmals nach, wie dramatisch der Ärztemangel auf dem Land wirklich ist. Für die KV ist noch alles in Ordnung.

Kreis Kleve/Düsseldorf. 

Beate Kohl wird ihren Kinderarzt so schnell nicht mehr wechseln. Die 33-jährige Mutter aus Kranenburg hat bereits eine kleine Himmelfahrt hinter sich, auf der Suche nach einem Arzt, der ihre beiden Kinder Paula (7) und Philip (3) behandelt. „Es war ein Drama hoch drei“, sagt die junge Frau heute, nachdem ihr alter Kinderarzt seine Praxis altersbedingt aufgegeben hatte. Ein halbes Jahr lang telefonierte Beate Kohl alle Ärzte am unteren Niederrhein ab, doch überall wurde sie wegen Aufnahmestopps abgelehnt. „Meine Kinder sind beide pflegebedürftig und auf eine kinderärztliche Betreuung angewiesen“, erzählt sie. „Doch es war nichts zu machen.“

Ärztliche Situation am Niederrhein ist vielerorts dramatisch schlecht

Beate Kohl ist mit dieser Erfahrung leider nicht alleine. Die ärztliche Situation am Niederrhein ist vielerorts dramatisch schlecht: Praxen sind überfüllt, Termine erhalten Patienten erst nach Wochen, und die vorhandenen Ärzte klagen über Stress.

Als Beate Kohl das ganze Ausmaß des Ärztemangels erkannt hat, schloss sie sich einer neuen Elterninitiative in Kleve an und kämpft seitdem gegen die schlechte Versorgung. Gemeinsam mit einem örtlichen Kinderarzt haben sie eine Studie erstellt, die die Bedarfsplanung für Ärzte des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) angreift. Die

Planung, die seit 1993 besteht, ist grundlegend für die Zuteilung der Arztsitze in Deutschland. Erstmals haben die Eltern nachgewiesen, dass Ärzte und Patienten auf dem Land signifikant schlechter gestellt werden als in der Stadt. Die Initiative hat exemplarisch die Situation im Kreis Kleve mit der in Düsseldorf für Kinderärzte, Orthopäden und Augenärzte verglichen. Beide Regionen sind laut Kassenärztlicher Vereinigung mit Ärzten überversorgt. Die Elterninitiative hat für die Studie jeweils in zwanzig Praxen angerufen und sich einen Termin für eine Behandlung geben lassen – mit deutlichen Ergebnissen:

Jungen Ärzten fehlt der Anreiz für den Wechsel aufs Land

So ist ein Kinderarzt im Kreis Kleve auf dem Papier für die Versorgung von 3857 Menschen zuständig, in Düsseldorf sind es nur 2398 Menschen. „Das heißt, dass ein Arzt im Kreis Kleve bei gleicher Vergütung 50 Prozent mehr arbeiten muss als ein Arzt in Düsseldorf. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn kein junger Arzt aufs Land möchte“, sagte Dr. Wolfgang Brüninghaus, der die Studie geleitet hat.

Während im Kreis Kleve 14 Kinderärzte einen Aufnahmestopp mitgeteilt haben (das sind 70 Prozent), können Eltern in Düsseldorf in 16 Praxen innerhalb von ein bis zwei Wochen einen Termin bekommen. Ähnlich sieht das Bild bei Orthopäden und Augenärzten aus. „Diese Zahlen belegen, dass die Bedarfsplanung für Ärzte nichts mit der Realität zu tun hat“, erklärt Brüninghaus. Es sei nicht einzusehen, warum Ärzte auf dem Land deutlich mehr Patienten behandeln sollen als in der Stadt.