CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach ist ein kantiger Typ. Er liebt den Widerstand und das offene Wort. Eigenschaften, die ihm schon viel Gegenwind eingebracht haben dürften. So auch in den eigenen Reihen.
Unvergessen: Auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Spätsommer 2011 lag der kernige Politiker aus Bergisch-Gladbach mal wieder mit seiner Partei über Kreuz – da raunzte ihn der damalige CDU-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla während einer Fraktionssitzung an: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Bosbach hält sie nicht, auch heute nicht. In einem Interview mit unserer Redaktion teilt er kräftig aus.
Herr Bosbach, welche Schulnote geben Sie der Bundesregierung?
Bosbach: Vier minus, mit Rücksicht auf die Eltern.
Welche Note geben Sie Kanzler Olaf Scholz?
Bosbach: Vier plus. Zwar sind die bisherigen Ergebnisse seiner Politik leider nicht besonders erfreulich, aber er versteht es geschickt unangenehmen Fragen auszuweichen und die Ampel irgendwie zusammenzuhalten. Vor dem Hintergrund der enormen Fliehkräfte keine leichte Aufgabe. Außerdem: Mir persönlich wäre es zu schlicht, alle, ausnahmslos alle Probleme der Ampel anzulasten. Manche sind auch in den 16 Jahren zuvor entstanden.
Bosbach: „Aber so ist eben die Politik“
Was macht Scholz gut und was könnte er besser machen?
Bosbach: Er lächelt sympathisch, vermeidet scharfe Konfrontationen und bleibt gerne im Ungefähren. Das gilt heute als „clever“. Außerdem war sein angebliches „Machtwort“ beim verzögerten Atomausstieg echt schlau. Nach außen erweckte er den Eindruck der Handlungsstärke und der Durchsetzungskraft, obwohl jeder hätte wissen können, dass das intern vorher längst alles abgestimmt war. Aber so ist eben die Politik.
Welche Schulnote geben Sie der Union?
Bosbach: Ein glattes Befriedigend. Aber bis zum Gut ist noch viel zu tun.
Bosbach: Was an dem Begriff „Kleine Paschas“ so skandalös sein soll, weiß ich bis heute nicht“
Wie sehr schaden die rhetorischen Fehltritte von Friedrich Merz der Union?
Bosbach: „Rhetorische Fehltritte“ ist Ihre Formulierung, nicht meine. Wenn Sie auf das ZDF-Sommerinterview anspielen, dann wurde Friedrich Merz für eine Aussage kritisiert, die er überhaupt nicht gemacht hatte. Mit keinem Wort hat er für eine „Zusammenarbeit“ von CDU und AfD auf kommunaler Ebene Verständnis gezeigt, oder gar dafür geworben. Da wurde ihm das Wort im Munde herumgedreht. Leider gab es auch sog. Parteifreunde, die diesen Eindruck durch öffentliche Wortmeldungen auch noch verstärkt haben. Und was an dem vielfach kritisierten Begriff „Kleine Paschas“ so skandalös sein soll, weiß ich bis heute nicht.
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Merz hat gesagt, er wolle die AfD halbieren. Damit sagte er, dass er sie auch halbieren könne. Nun hat sich die AfD verdoppelt. Was macht Merz falsch, dass er die AfD verdoppelt und nicht halbiert?
Bosbach: Der demoskopische Zuwachs der AfD ist nicht ausschließlich, aber ganz wesentlich eine Folge der aktuellen politischen Situation: Wir befinden uns in einer wirtschaftlich sehr angespannten Lage, Tendenz höchst unerfreulich. Die immer noch hohe Inflation mindert die Kaufkraft von Millionen, die anhaltend hohe Migration stellt immer mehr Kommunen vor riesige Probleme. Natürlich erhält die AfD im Wesentlichen Zustimmung von Menschen mit völkisch-nationalistischer, rechtsradikaler Gesinnung, aber eben auch aus Protest gegenüber den Folgen der aktuellen Politik. Das kann man aus der Opposition heraus kaum ändern. Dafür müsste man in Regierungsverantwortung sein.
Transparenzhinweis: Dieses Interview wurde auf Wunsch von Herrn Bosbach per E-Mail geführt.