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Wie schwierig für Flüchtlinge das Deutschlernen ist

Wie schwierig für Flüchtlinge das Deutschlernen ist

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Foto: picture alliance / dpa
Sprache ist die Voraussetzung für Integration. Aber wie schwierig ist es für Migranten, Deutsch zu lernen? Wir fragten einen Sprachwissenschaftler.

Essen. 

Nur wenige Flüchtlinge beherrschen die deutsche Sprache. Aber ohne Sprachkenntnisse ist eine Integration in Ausbildung, Beruf und Gesellschaft kaum möglich. Wie schwer ist es für die Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern, die deutsche Sprache in Schrift und Wort zu erlernen? Wir fragten den Essener Sprachwissenschaftler Prof. Rupprecht Baur.

Deutsch ist eine schwere Sprache, stimmt das?

Prof. Rupprecht Baur: Nicht unbedingt. Deutsch ist dann schwer, wenn die Lehrer nicht die richtigen Methoden anwenden und wenn die Sprachpraxis im Alltag fehlt.

Um Deutsch zu sprechen, benötigen die Flüchtlinge doch zunächst einmal Deutschkenntnisse.

Baur: Ja und nein. Die deutsche Gesellschaft fordert immer: die Fremden sollen doch erst einmal Deutsch lernen. Doch wo ist die Hilfe aus der Bevölkerung?

Es fehlt oft an der Bereitschaft, die Lernenden zu unterstützen und mit ihnen zu kommunizieren. Es gibt die Erwartung, dass alles in den Sprachkursen geleistet werden soll.

Viele Flüchtlinge kommen aus dem afrikanischen und arabischen Sprachraum. Spielt die Herkunft eine Rolle?

Baur: Nein, aber die Vorbildung ist wichtig, besonders wenn jemand bereits Sprachlernerfahrung besitzt. Viele Migranten sind ja mehrsprachig, das wird bei uns oft unterschätzt.

Können Sie ein Beispiel geben?

Baur: Viele Afrikaner können Englisch oder Französisch und zugleich afrikanische Sprachen. Im Senegal werden zum Beispiel sieben afrikanische Sprachen gesprochen und die Amtssprache ist Französisch. Jeder spricht mindestens drei Sprachen. Das sind sehr gute Voraussetzungen, rasch eine neue Sprache zu lernen.

Wie sollte der Unterricht sein?

Baur: Man sollte sich, wo immer es möglich ist, von den Lehrbüchern lösen und einen handlungsorientierten Unterricht machen. Man sollte kommunikative Situationen aktiv im Klassenraum üben, nah am Alltag. Zum Beispiel deutsche Fantasienamen und Identitäten vergeben und sich dann mit diesen Namen gegenseitig vorstellen und begrüßen.

Also Alfred statt Ahmed?

Baur: So ungefähr. Aber möglichst mit Lauten, die für die Leute schwierig sind, zum Beispiel Umlaute und der Ich-Laut. Sie sollen sich etwa als Michael Müller aus München vorstellen. Dabei lernt man das Ü und den Ich-Laut. Das senkt die Hemmschwellen und ist lustig. Ich nenne es das „Faschingsprinzip“.

Was meinen Sie damit?

Baur: Man setzt eine Maske auf. Mit einer anderen Identität ist man für eine gewisse Zeit befreit von den Lasten des eigenen realen Lebens.

Aber es reicht nicht, wenn die Kursteilnehmer nur mit dem Lehrer reden, sie brauchen auch Anwendungssituationen und Kontakte im Alltag. Hier ist wieder die Allgemeinheit gefordert.

Was ist mit Leuten, die weder lesen noch schreiben können?

Baur: Manche Flüchtlinge müssen bei uns alphabetisiert werden. Es gibt dafür eine gute Methode: Lernen durch Bewegung. Nehmen wir den Buchstaben H wie Hallo. Dann stellen sich zwei Personen gegenüber und bilden mit den Armen ein H. Die vergessen den Buchstaben nie wieder und lernen in der Bewegung ein Wort, sie haben den Buchstaben im Kopf und im Körper. Und so geht es weiter: B wie Ballerina – da machen wir mit dem Arm einen Bogen zum Körper und einen zweiten mit dem Fuß. Das ergibt ein B. So lernt man das ABC ganz anders, nicht nur mit Papier und Stift.

Was ist schwer im Deutschen?

Baur: Es verfügt, wie gesagt, über besondere Laute. Besonders kompliziert ist die Lang-Kurz-Opposition der Vokale. Also zum Beispiel der Bedeutungsunterschied zwischen Hütte und Hüte. Die meisten Sprachen kennen das nicht. Auch die Endungen sind heikel. Es heißt: Ich gehe in die neue Schule – und: Ich bin in der neuen Schule. Plötzlich ändert sich der Artikel und die Endung.

Wie lange braucht man, um sprachlich einigermaßen mitzuhalten?

Baur: Wenn der Unterricht gut ist und es einen regelmäßigen Sprachkontakt gibt, dann haben Erwachsene nach etwa zwei Jahren ziemlich gute Kenntnisse. Bei Kindern geht es oft deutlich schneller.