Die Parteispitze hat noch kein Konzept, wie sie Merkel attackieren will. Deshalb setzt sie lieber auf Inhalte, wurde auf der Vorstandsklausur in Potsdam verabredet. Die Linke macht den Sozialdemokraten für die kommenden Wahlen bereits Koalitionsangebote.
Berlin.
Parteichef Sigmar Gabriel versuchte die Flucht nach vorn. Kaum waren gestern Differenzen in der SPD-Führung über die Strategie für die Bundestagswahl 2013 öffentlich geworden, verkündete Gabriel schon eine neue Leitidee: „Es geht nicht um einen Wahlkampf gegen Kanzlerin Merkel“, die SPD kämpfe „für ein besseres Deutschland“, gegen die unregulierten Finanzmärkte und die soziale Spaltung in Deutschland.
Wenn es so einfach wäre. Zum Auftakt einer Vorstandsklausur in Potsdam, die einen Fahrplan bis zur Bundestagswahl entwerfen sollte, offenbarte sich gestern die strategische Unsicherheit, die die SPD erfasst hat. Die Spitze der Sozialdemokraten ist sich uneins, wie sie auf den anhaltenden Umfrage-Vorsprung der Union und vor allem auf die unangefochtene Popularität der Kanzlerin reagieren soll.
Merkel ist zu beliebt
Klar ist nur, dass Merkel wegen ihrer Beliebtheit besser nicht direkt angegriffen wird. Aber: „Wir werden 2013 einen klaren Richtungswahlkampf führen“, hatte Gabriel angekündigt, die Alternative laute „Rot-Grün oder Schwarz-Gelb“. Doch gestern erklärte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das Gegenteil: „Ein Wahlkampf wird nicht als Koalitionswahlkampf geführt. Wir machen Wahlkampf, um als Sozialdemokraten so stark wie möglich zu werden.“
Gabriel hatte auch eine Koalition im Bund unter Beteiligung der Linken klar ausgeschlossen, sollte es für Rot-Grün nicht reichen. SPD-Vize Hannelore Kraft hält das aber für verfrüht: „Im Moment sind wir überhaupt noch nicht auf dem Weg, Koalitionen zu definieren oder auszuschließen. Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, erst mal über die Inhalte zu reden“, sagte die NRW-Ministerpräsidentin gestern.
Für Rot-Grün könnte es nicht reichen
Die unterschiedlichen Signale überraschen nicht: Offiziell heißt die Marschroute für den Bund Rot-Grün, doch zunehmend schwant der SPD-Spitze, dass es dafür nicht reichen könnte. Denn im Bund kratzt die SPD laut Umfragen bloß an der 30-Prozent-Marke, die Union kommt dagegen jetzt auf 36 Prozent. Die Sorge geht um in der SPD-Spitze, dass am Ende zwar Schwarz-Gelb abgewählt ist, den Sozialdemokraten aber nur die Rolle eines Juniorpartners in der Großen Koalition bleibt.
Jetzt macht auch noch die Linkspartei Druck und wirbt offensiv für die Option rot-roter Koalitionen nach der Landtagswahl im März im Saarland und 2013 im Bund. „Wir werden der SPD im Saarland ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann“, sagte Linke-Parteichef Klaus Ernst unserer Zeitung. Die Linke werde mit einem „Konzept der sozialen Haushaltssanierung“ ins Rennen gehen, das Ja zum Schuldenabbau und Nein zum Sozialabbau sage. „Dann muss die SPD entscheiden, ob sie die Millionäre belasten will oder die Bürger.“ Auch mit Blick auf die Bundestagswahl warnte Ernst die SPD vor „Ausschließeritis“.
Geschlossenheit ist angesagt
Die SPD-Spitze ermahnt sich nun zur Geschlossenheit. Die Troika der potenziellen Kanzlerkandidaten Steinbrück, Steinmeier und Gabriel hat verabredet, den Merkel-Herausforderer möglichst spät auszurufen. Vorerst sollen die inhaltliche Arbeit vorangetrieben, offene Streitfragen etwa zur Rentenpolitik geklärt werden.
Bei der Klausur werden dazu auch neue Zuständigkeiten verteilt: Parteivize Kraft etwa wird mit Fraktionsvize Hubertus Heil zuständig für den Bereich Wirtschaft, Energie und Industrie. Die Wahlkampfleitung soll nun doch bei Generalsekretärin Andrea Nahles liegen. Sie verkündete, die SPD werde nun „Anlauf nehmen, um Schwarz-Gelb in die Wüste zu schicken.“