Die frühere Landesbank WestLB hat in Steuerparadiesen mit Tochtergesellschaften, Briefkastenfirmen und Unternehmensbeteiligungen womöglich Milliarden verzockt. Schwarz-Gelb und Rot-Grün geben sich gegenseitig eine Mitschuld an dem Desaster.
Düsseldorf.
Für NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) werden die Geschäfte der abgewickelten Landesbank WestLB in den Steuerparadiesen der Welt allmählich zum „Fluch der Karibik“.
Seit Wochen diskutiert der Landtag über das, was man bei genauerem Studium der WestLB-Geschäftsberichte auch schon früher hätte ahnen können: Das frühere öffentlich-rechtliche Institut im Besitz von Land und Sparkassen hat in den vergangenen zehn Jahren mit Tochtergesellschaften, Briefkastenfirmen und Unternehmensbeteiligungen in Curacao, auf den Cayman- und Bermuda-Inseln, in Singapur, Lichtenstein oder auf Jersey munter mitgezockt. Unter politischer Aufsicht wurden für Vermögende Wege gesucht, Steuern zu umgehen. Welch ein Kontrast zur heutigen Jagd der NRW-Steuerfahnder nach Schwarzgeldkonten in der Schweiz.
Sechs Milliarden Euro versenkt?
Walter-Borjans, dem für die einstige karibische Finanzakrobatik kein persönlicher Vorwurf zu machen ist, hat stets betont, dass die Steuerparadies-Töchter der WestLB längst in Abwicklung seien und in dieser Form heute kaum mehr genehmigt würden. Sie trieben ihr Unwesen in einer Zeit, als der öffentlich-rechtliche Sektor auf Waffengleichheit mit privaten Großbanken pochte.
Eine neue Dimension bekam die Debatte zu Wochenbeginn, als erstmals öffentlich wurde, in welchem Maße der normale Steuerzahler für die Zockereien womöglich aufkommen muss. Das „Handelsblatt“ berichtete unter Berufung auf eine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel, dass „sechs Milliarden Euro in der Karibik“ versenkt worden seien. Später zog das Blatt die Berechnung der Verluste zurück.
Briefkastenfirmen in Übersee
Hintergrund der Berechnung ist eine Auflistung des Finanzministeriums. 2008 hatte das Land eine „Bad Bank“ namens Erste Abwicklungsanstalt (EAA) gegründet, um dorthin Wertpapiere auszulagern, die im Zuge der Finanzkrise nicht mehr zu handeln waren. Damit sollte die angeschlagene WestLB entlastet werden. Es wurde das „Phoenix-Portfolio“ für vergiftete Wertpapiere in Höhe von 23 Milliarden Euro gebildet.
Gut 25 Prozent dieses Portfolios gingen auf Aktivitäten auf den Caymans, auf Jersey und anderer Briefkastenfirmen zurück. Und für die Abwicklung bürgt das Land und damit der ehrliche Steuerzahler. „Ein wichtiger Teil des Milliardengrabs WestLB ist in Offshore-Destinationen verursacht worden“, erklärt FDP-Mann Witzel.
Rot-Grün und Schwarz-Gelb zockten
Das Finanzministerium dagegen wies die Höhe der in Steuerparadiesen angehäuften Verluste als überzogen zurück. Man dürfe den Nennwert der Papiere bei der Ausgliederung 2008 in das Phoenix-Portfolio nicht mit Verlusten verwechseln. Durch Verkäufe zu günstigen Zeitpunkten habe die EAA den Nennwert der Schrott-Papiere bereits von ursprünglich 23 auf heute 13,8 Milliarden Euro reduziert. Dafür seien öffentliche Garantien von Land und Sparkassen in Höhe von bislang 1,3 Milliarden Euro in Anspruch genommen worden. Auch wenn niemand die genauen Verluste am Ende des Abwicklungsprozesses beziffern kann, dürfte der durch Steuerparadies-Zockereien verursachte Teil kaum die in Rede stehenden sechs Milliarden Euro erreichen.
In Düsseldorf tobt dennoch ein Streit um politische Verantwortlichkeiten. Witzel sieht den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in einer Mitverantwortung, der als ehemaliger Landesminister und Ministerpräsident sieben Jahre lang in Aufsichtsgremien der WestLB saß. In seiner Amtszeit seien die Offshore-Aktivitäten sogar noch ausgebaut worden. Walter-Borjans wiederum wirft der FDP Scheinheiligkeit vor, da auch in der schwarz-gelben Regierungszeit (2005 bis 2010) den Karibik-Zockereien kein Ende bereitet wurde.