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Was sich türkische Patienten im Krankenhaus wünschen

Was sich türkische Patienten im Krankenhaus wünschen

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Foto: dpa / Felix Kästle
Viactiv-Krankenkasse hat erstmals die Zufriedenheit im Krankenhaus untersucht: Was wünschen sich türkische Patienten in der Klinik? Die Zufriedenheit ist groß, doch viele vermissen das vertraute Essen.

Bochum. 

Wie zufrieden sind Patienten türkischer Herkunft mit der Behandlung im Krankenhaus? Was hilft – neben guten Ärzten und aufmerksamen Pflegekräften – dabei, gesund zu werden? Erstmals hat die Viactiv-Krankenkasse mit Sitz in Bochum dies systematisch untersuchen lassen, jetzt liegt die Studie zur „Kultursensibilität“ in der Krankenhausbehandlung vor.

Ganz oben auf der Wunschliste aller Altersgruppen stehen diese Punkte: eine Verpflegung, die den eigenen Essensgewohnheiten entspricht; ein schöner Raum zum stillen Gebet sowie Besucherzimmer, in denen auch eine größere Familie Platz findet, ohne Mitpatienten zu stören.

Zugleich ergaben die Gespräche mit rund 1700 Patienten zwischen 18 und 83 Jahren: „84 Prozent waren mit den Leistungen im Krankenhaus zufrieden bis sehr zufrieden. Sehr unzufrieden waren nach der Entlassung nur sechs Prozent“, sagte Faize Berger, die Leiterin der bundesweiten Studie.

Sprachbarriere sorgt für unnötige Verunsicherung

Zugleich sei deutlich geworden, dass sich ein Großteil der Patienten wünscht, wichtige Informationen auch in der Muttersprache zu hören und besprechen zu können – zu ihrer Erkrankung, zu Behandlungsschritten und -erfolgen, aber auch so einfache Dinge wie Speisepläne oder Hinweisschilder auf den Stationen.

Eine persönliche Beratung oder Broschüren (nicht nur) in türkischer Sprache biete der neue Verbund der Betriebskrankenkassen (vormals: BKK vor Ort) seinen Mitgliedern bereits seit geraumer Zeit, erklärt Manfred Richter, Mitglied der Viactiv-Geschäftsführung, im Gespräch mit dieser Redaktion.

Drei Viertel der gut 770.000 Versicherten leben in Nordrhein-Westfalen, 17 Prozent der Mitglieder sind in der Türkei geboren oder Kinder türkischer Eltern, die seit den 1960er-Jahren bei großen Industriekonzernen wie Thyssen-Krupp, Hoesch, Mannesmann, Opel oder Evonik beschäftigt waren oder sind.

Die erste Generation der Gastarbeiter wird häufiger krank

„Uns geht es darum, die Zufriedenheit der Mitglieder im Krankenhaus zu fördern“, sagt Richter. „Das Gefühl, rundum gut aufgehoben zu sein, beeinflusst schließlich auch den Heilungserfolg.“ Die erste Generation der „Gastarbeiter“ sei jetzt in dem Alter, in dem die Männer und Frauen häufiger stationär behandelt werden müssen.

60 Prozent der für die Studie Befragten wurden in der Türkei geboren (Durchschnittsalter: 58 Jahre); jeder Fünfte von ihnen hatte keinen Schulabschluss. In dieser Gruppe war der Anteil der Unzufriedenen mit 19 Prozent doppelt so hoch wie unter den Jüngeren. Letztere waren im Schnitt 33 Jahre alt, jeder Dritte (32 Prozent) hatte einen höheren Schulabschluss.

Einen gewichtigen Grund für die geringe Zufriedenheit der Älteren sieht Faize Berger in der Sprachbarriere: Jeder dritte Patient gab auf Befragen an, dass ihm – oder ihr – niemand beim Ausfüllen der Formulare oder in den Gesprächen mit Ärzten oder Pflegekräften geholfen habe. Zwei von fünf Patienten (40 Prozent) hatte immerhin Angehörige, die bei der Übersetzung helfen konnten, 17 Prozent der Befragten trafen auf Krankenschwestern oder Pfleger mit Türkisch-Kenntnissen. Ganze drei Prozent der Patienten gaben an, dass sie mit dem Arzt in ihrer Muttersprache reden konnten oder einen Dolmetscher an der Seite hatten.

Frische Tomaten zum Frühstück – warum nicht?

Solche – nicht unbedingt überraschenden – Ergebnisse sollten auch den Krankenhaus-Trägern zu denken geben, sind sich die Wissenschaftlerin und der Krankenkassen-Manager einig. „Die Kliniken könnten sich generell stärker auf Patienten mit anderem kulturellem Hintergrund einstellen“, schlägt Richter vor. „Wenn das eigene Personal nicht über entsprechende Sprach- und Kulturkenntnisse verfügt, könnten Krankenhäuser Sozialarbeiter, Mitarbeiter der Wohlfahrtsverbände oder Religiöse Amtsträger als Vermittler in den Alltag einbeziehen.“

Die Studie haben Faize Berger und die Viactiv-Spitze bereits der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) präsentiert. „Wer mag, kann die Ergebnisse unserer Interviews gern als Handlungshilfe für den Krankenhausalltag nutzen“, bietet Faize Berger an. Manchmal, sagt sie, reichten manchmal schon Kleinigkeiten, die das unfreiwillige Dasein im Krankenbett verschönern können.

Zum Beispiel Tomaten, Paprika, Oliven oder ein paar Scheiben Gurke zum herzhaften Frischkäse. Berger: „Ein Frühstück ohne frisches Gemüse? Das ist für Menschen türkischer Herkunft nicht komplett und damit kein guter Start in den Tag.“ Den ohne großen Aufwand zu verändern, dürfte einer gut sortierten Großküche nicht schwer fallen…