- Einige NRW-Städte bieten Livestreams ihrer Ratssitzungen im Internet an
- Die Mehrzahl jedoch steht einem solchen Angebot eher skeptisch gegenüber
- Grund sind vor allem die hohen Kosten, di der Service für die Kommunen verursacht
Essen.
Was genau passiert eigentlich im Ratssaal? Setzen sich die Politiker wirklich dafür ein, ihre Wahlversprechen umzusetzen? – Die wenigsten Bürger nehmen den Weg in die Sitzung auf sich, um sich selbst ein Bild zu machen. Im Schnitt sind es nicht mehr als ein Dutzend, die im Zuschauerbereich Platz nehmen. In Essen und Bottrop hingegen kann jeder mit einem Internetanschluss von überall aus live „dabei sein“: Die beiden Städte haben sich für Video-Übertragungen entschieden – als einzige im Ruhrgebiet. Bislang.
Ginge es nach der Piratenfraktion im Landtag, sollten sich viel mehr Lokalpolitiker bei wichtigen Entscheidungen von Videokameras auf die Finger schauen lassen. Schon seit zwei Jahren schwelt ein Gesetzesentwurf der Piraten dazu, der Ende des Jahres zur Abstimmung kommen soll, wie Landtagsmitglied Frank Herrmann ankündigt. Dem Piraten geht es um Stichworte wie Transparenz und Teilhabe – und nicht zuletzt darum, mehr Menschen auch für lokale und regionale Politik zu interessieren.
Persönlichkeitsrechte wahren
Konkret will seine Fraktion in die Gemeinde- und Kreisordnungen einen Absatz einfügen, der festhält, dass die Gremien in ihrer Hauptsatzung bestimmen können, dass Video- und Audioaufnahmen zulässig sind. „Wir wollen, dass da Klarheit besteht“, so Herrmann. „Bislang ist das zwar möglich, aber es wird an keiner Stelle gesetzlich darauf hingewiesen.“ Das aber sei wichtig, meint der Pirat, „weil es immer noch Leute in den Räten gibt, die irrtümlicherweise glauben, dass das verboten ist.“
Tatsächlich gilt es, die Persönlichkeitsrechte der ehrenamtlich tätigen Ratsmitglieder zu wahren. Um Aufnahmen zu ermöglichen, muss jeder Anwesende ausdrücklich zustimmen, bevor eine Sitzung aufgenommen werden darf. In vielen Städten sind die Diskussionen über die Einführung von Streaming-Angeboten genau daran gescheitert. Dennoch: Ein Viertel der Großstädte in NRW (sieben von 28) hat sich bislang für ein „Rats-TV“ entschieden. Im nächsten Jahr wird mit Leverkusen eine weitere hinzukommen.
Als Vorreiter in NRW hatte Bonn bereits 2009 die Live-Übertragung eingeführt. Seitdem gibt es nur wenige Städte, die die Einführung noch nicht diskutiert haben. Neben Bedenken zum Datenschutz spielt dabei vor allem in den Stärkungspakt-Kommunen die Finanzierung eine große Rolle. Anders als in Bonn, wo Mitarbeiter der Verwaltung die Kamera mit minimalen Kosten selbst bedienen, wollten viele Kommunen lieber dem Beispiel Bottrops folgen. Die Revierstadt setzt auf die Expertise eines externen Anbieters, der sich auf Rats-TV spezialisiert hat.
1000 Euro pro Übertragung
800 Euro bezahlt Bottrop für die Übertragung einer Ratssitzung. Etwa sechs finden pro Jahr statt. „Da wir 2012 noch zu den ersten Städten gehört haben, konnten wir noch einen sehr günstigen Vertrag bekommen“, erklärt Stadtsprecher Andreas Pläsken. Da die Nachfrage bundesweit aber gestiegen sei, wären diese Konditionen heute nicht mehr üblich, gibt er zu bedenken. Die Stadt Solingen zahlt seit letztem Jahr rund 1000 Euro pro Sitzung, ebenso Essen, wo schon im Jahr 2012 das Rats-TV eingeführt wurde.
Zu teuer sei das und der Nutzen letztlich zu gering, meinen Städte wie Duisburg, Mülheim, Remscheid und Witten. „Wenn man es macht, dann will man es auch richtig machen. Und da war relativ schnell klar: Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis“, fasst Stadtsprecher Volker Wiebels die Mülheimer Entscheidung aus dem letzten Jahr zusammen.
In Essen schauen rund 2000 Nutzer bei „normalen“ Sitzungen zu. Videos von besonders hitzigen Debatten – etwa zur Unterbringung von Flüchtlingen – erreichen bis zu 6000 Zugriffe. In Bottrop sind die Zahlen deutlich kleiner: Hier sind es im Schnitt 150 Nutzer. Bei Entscheidungen von besonderem Interesse, etwa beim Thema Flugplatz Schwarze Heide, seien fast vierstellige Zugriffszahlen registriert worden, sagt Sprecher Andreas Pläsken. „Das ist natürlich die Ausnahme. Aber auch 150 Nutzer sind 150 mehr, als wir ohne das Angebot erreichen würden“, unterstreicht er.