Bei einem Anstieg um zehn Prozent müssen freiberufliche Hebammen 4480 Euro Haftpflichprämie pro Jahr bezahlen. Für viele ist diese Summe unbezahlbar, bei einem Stundenlohn von gerade mal 7,50 Euro. Der Hebammen-Verband fürchtet, dass sich viele Hebammen aus der Geburtshilfe verabschieden werden.
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Die Haftpflichtprämien für Hebammen, die in der Geburtshilfe arbeiten, sind erneut gestiegen. In einem Jahr um zehn Prozent auf 4480 Euro. Vor allem freiberufliche Hebammen können sich ihren Traumjob kaum noch leisten. „Wir beobachten, dass immer mehr Kolleginnen aufgeben“, sagt Katharina Jeschke, Beirätin des Deutschen Hebammen-Verbandes (DHV). Jeschke schätzt, dass allein fünf bis zehn Prozent der rund 3000 freiberuflich in der Geburtshilfe arbeitenden Frauen ihren Beruf an den Nagel hängen.
Oder auf Quantität statt auf Qualität setzen. Das befürchtet zumindest Birgit Sperling, freiberufliche Hebamme und Mitbegründerin des Geburtshauses Unna. In diesem Fall betreuten Hebammen statt drei oder vier eben zehn Geburten im Monat. Bei 280, 22 Euro brutto pro Geburt komme man irgendwie über die Runden. Mit einer guten Hebamme, die vor allem Wert auf die Vor- und Nachsorge lege und rund um die Uhr für eine werdende Mutter zu erreichen sei, habe das allerdings nichts mehr zu tun. Aber steigende Kosten führten zu solchen Konsequenzen.
Geburtshelferin haftet 30 Jahre lang
Die steigende Versicherungsprämie ist seit Jahren ein Riesenproblem. Zahlte eine Hebamme im Jahre 1981 umgerechnet lediglich 30,68 Euro, waren es im vergangenen Jahr 4200 Euro. Betroffen sind Geburtshelferinnen, die Hausgeburten begleiten oder in Geburtshäusern oder in Krankenhäusern als Beleghebammen arbeiten. „Die Hebamme trägt ein großes Risiko bei der Geburt. Sie haftet 30 Jahre“, sagt die Expertin des Deutschen Hebammenverbandes Katharina Jeschke. Klar, „sie leidet unter dieser gesetzlichen Haftungsregelung“. Geht bei der Geburt irgendetwas schief, müsse die Hebamme beweisen, dass sie damit nichts zu tun hat.
Warum die Prämie immer weiter ansteigt, beantwortet eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft aus dem Jahre 2010. Demnach werden Personenschäden insbesondere bei Geburten immer teurer. Hier muss im Schadensfall ein ganzes Leben lang gezahlt werden. Neben Schmerzensgeld und unmittelbaren Kosten wie Behandlung wird das Leben zweier Menschen komplett abgesichert. Die Versicherung schätzt, welcher mutmaßliche Verdienst dem Kind entgeht und was die Betreuung durch die Mutter kosten wird.
Nach Angaben des Hebammen-Verbandes häufen sich auch die Fälle, in denen selbst die angestellte Hebamme haftet, weil die Klinik eine zu niedrige Haftpflichtsumme abgeschlossen oder gar keine Versicherung hat. Oder eine Hebamme ärztliche Aufgaben wie Blutabnahme oder Geburtseinleitungen übernommen hat. „Die angestellte Hebamme haftet dabei entweder lebenslang mit ihrem Privatvermögen oder muss von ihrem kläglichen Gehalt noch eine eigene Haftpflichtversicherung finanzieren“, sagt Katharina Jeschke.
Ackern für die Prämie
Durchschnittlich erzielt eine freiberuflich in Vollzeit arbeitende Hebamme 23 300 Euro Umsatz pro Jahr. Nach Abzug von Betriebsausgaben und Sozialversicherungsbeiträgen beträgt das zu versteuernde Einkommen 14 500 Euro pro Jahr. Der Stundenlohn liegt damit bei 7,50 Euro. „Bei diesem Einkommen können Hebammen nicht noch tausende von Euro pro Jahr für ihre private Haftpflicht aufbringen“, sagt Katharina Jeschke. Daher stiegen viele Frauen aus der Geburtshilfe aus, arbeiteten in der Nachsorge oder bieten Schwangerenbegleitkurse an.
„Betriebswirtschaftlich rechnet sich das alles nicht mehr. Man arbeitet dreimal soviel, um dasselbe Geld zu erzielen wie in der Geburtshilfe“, pflichtet Birgit Sperling bei.
Im Übrigen sei die Haftpflichtprämie für alle gleich. „Egal ob sie zwei oder zehn Geburten begleiten. Die Summe ist immer dieselbe.“ Das treffe vor allem die in Teilzeit Beschäftigten. Die Hebamme fordert die Politik auf, zu handeln, „damit wir endlich besser bezahlt werden“.