Ungeschwärzte Akten aus Thüringen zum Thema Rechtsextremismus setzen das Bundesinnenministerium unter Zugzwang. Denn ohne Zustimmung aller Behörden, die Schriftstücke in diesen Akten haben, können die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags die Papiere nicht einsehen. Jetzt werde nach einem Kompromiss gesucht, sagte Ministeriumssprecher Hendrik Lörges am Montag in Berlin.
Berlin/Erfurt (dapd). Ungeschwärzte Akten aus Thüringen zum Thema Rechtsextremismus setzen das Bundesinnenministerium unter Zugzwang. Denn ohne Zustimmung aller Behörden, die Schriftstücke in diesen Akten haben, können die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags die Papiere nicht einsehen. Jetzt werde nach einem Kompromiss gesucht, sagte Ministeriumssprecher Hendrik Lörges am Montag in Berlin.
Der Thüringer Innenminister Jörg Geibert hatte den kompletten Aktenbestand zum „Phänomenbereich Rechtsextremismus“ von 1991 bis 2002 an den Untersuchungsausschuss des Bundestages geschickt. Es handelt sich dabei um 778 ungeschwärzte Akten. Der Untersuchungsausschuss soll Pannen bei der Ermittlung der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aufdecken, der bundesweit zehn Morde zur Last gelegt werden.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte: „Wir versuchen jetzt in Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss einen Weg zu finden, um dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses, aber auch dem Geheimschutz- und Sicherheitsinteresse der anderen Behörden Rechnung zu tragen.“ Der Ausschuss habe durch sein Moratorium, bis zum 18. Oktober die Akten nicht einzusehen, eine gute Voraussetzung für einen Kompromiss geschaffen.
Die Weitergabe der Akten sei nicht abgesprochen gewesen, berichtet der „Spiegel“. Dies habe unter deutschen Geheimdienstlern für Empörung gesorgt. In einer Telefonkonferenz der Verfassungsschutzchefs am 28. September sei sogar von „Geheimnisverrat“ und möglichen „strafrechtlichen Konsequenzen“ die Rede gewesen.
Nach dem Vorwurf des Geheimnisverrats gegen Geibert stellte sich Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) vor ihren Minister. „So etwas wäre unvorstellbar“, sagte Lieberknecht. „Wir tun das, was in Anbetracht der schlimmen Morde der Terrorzelle getan werden muss, was wir den Angehörigen schuldig sind“, sagte Lieberknecht weiter. Falls der Thüringer Weg der Aufklärung behindert werden sollte, bräuchte man neue Standards der Aufklärung für derartige Fälle.
Laut „Spiegel“ wird jetzt die Einsetzung eines Sonderermittlers geplant, der das brisante Material vorab prüfen und dann die Einsicht koordinieren könnte. Dazu wollte sich Ministeriumssprecher Lörges nicht äußern.
dapd
2012-10-08 14:05:50.0