Seit über zwei Jahren tobt Putins Ukraine-Krieg. Seitdem unterstützen zahlreiche Staaten das Land mit Waffen und Rüstung. Auch Deutschland steuerte über die Jahre Waffen bei. Gleichzeitig sollte sich seit dem Start des Ukraine-Kriegs auch bei der Bundeswehr im Hinblick auf Aufrüstung einiges ändern. So wollen sich die NATO-Staaten vor einem möglichen Angriff des Russland-Präsidenten wappnen.
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Doch die versprochene „Zeitenwende“ von Olaf Scholz blieb größtenteils aus. Viel zu viele Baustellen stehen der Bundeswehr bis heute im Weg. Zu lange wird bei der Anschaffung wichtiger Ausrüstung wie Munition trotz 100 Milliarden Euro Sondervermögen getrödelt.
Journalist und Autor Christian Schweppe setzte sich mit dem großen „Warum“ der verpennten Aufrüstung auseinander und schrieb daraus sein Buch „Zeiten ohne Wende“. Ein Interview darüber, wie es mit der Zeitenwende nach einem Ampel-Aus weitergehen könnte.
Ukraine-Krieg: Zeitenwende für Bundeswehr bleibt aus
Redaktion: Herr Schweppe, in Ihrem Buch geht es um die gescheiterte Zeitenwende, die von Olaf Scholz anlässlich des Ukraine-Kriegs auch ausgerufen wurde. Warum ist sein Versprechen größtenteils offen geblieben?
Schweppe: „Olaf Scholz hat in seiner damaligen Rede geäußert, dass dieses Land sicherheitspolitisch wieder sehr viel mehr macht und auch regelmäßig dafür investiert. Der tatsächliche politische Wille fehlte aber an vielen Punkten.
Ich hab mir zweieinhalb Jahre lang all die Orte angeschaut, wo diese Zeitenwende sich abspielt oder sich abspielen sollte. Der Befund am Ende meiner Recherche und am Ende meiner Reise durch das Land ist eine Mischung aus vielen kleinen und größeren Enttäuschungen. Die führt vor allem zum Verteidigungsministerium, aber auch zum Kanzleramt.“
Als er seine Zeitenwende ausrief, verzichtete Olaf Scholz auf seine typischen Floskeln und hatte eine gewisse Deutlichkeit in seiner Rede. Die kennt man sonst gar nicht von ihm. Warum nahm diese Deutlichkeit ihrer Meinung nach wieder ab?
„Am Anfang gab es mit seiner Rede ein politisches, historisches Momentum. Dann ist aber schon eigentlich in der Anfangszeit ziemlich viel verspielt worden. Das hatte auch damit zu tun, dass Olaf Scholz Christine Lambrecht zur Verteidigungsministerin gemacht hatte. Für die Bundeswehr wurde ein Sondervermögen von 100 Milliarden ausgerufen. Mit dem sollten vor allem die großen Rüstungsprojekte finanziert werden. Allerdings sind im ersten Jahr 2022 genau Null Euro abgeflossen. Es sind fast keine Verträge geschlossen worden und es ist sozusagen weitergemacht worden wie im politischen Tagesgeschäft.
Dazu sind nach vielen Diskussionen auch schwere Waffen an die Ukraine abgegeben worden. Doch man hat es danach versäumt, dieses abgegebene Material sofort auch wieder für die Bundeswehr nachzubestellen. Das war der größte Fehler unter Christine Lambrecht und lähmt unser Land auf Jahre.“
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Haben Sie, als Sie mit Ihrem Buch angefangen haben, tatsächlich auf einen besseren Verlauf der Zeitenwende gehofft? Oder haben Sie es bereits kommen sehen, in welche Richtung sie verläuft?
„Ich hatte an dem Tag der Regierungserklärung das Gefühl, dass sich jetzt etwas ganz fundamental verändern würde in unserem Land. Ich beschloss also, es so genau wie möglich zu verfolgen und eine Langzeitreportage zu machen. Ich hatte aber einen kritischen Blick, da ich schon seit mehr als fünf Jahren hier in Berlin regelmäßig über die Verteidigungspolitik berichte und vor allem auch immer wieder investigative Recherchen gemacht habe.“
Kann Aufrüstung noch gelingen?
Gibt es denn Schritte, die noch kurzzeitig für Erfolge in der Aufrüstung sorgen könnten?
„Man müsste die Zeitenwende vor allen anderen Themen voranstellen, sodass die Sicherheit Vorrang hat. Man könnte sie nicht aus einer boomenden Wirtschaft zahlen, sondern es ginge nur durch Einschnitte in anderen Bereichen wie im Sozialbereich oder Klimaschutz. Und das täte dann eben weh.
Es müsste dann aber Aufgabe der Politik sein zu sagen, wir brauchen diese Ausgaben und deswegen müssen wir jetzt unpopuläre Entscheidungen treffen. So wie es bislang eigentlich gemacht wurde, geht das eher nicht weiter.“
Aktuell wackelt die Ampelregierung sowohl intern als auch in den Umfragen. Wie meinen sie, wird sich diese Zeitenwende weiterentwickeln, wenn es keine Ampel zu Anfang 2025 oder der Bundestagswahl mehr gibt?
„Wir müssten dann wahrscheinlicher anfangen mit der Partei, die aktuell in den Umfragen vorne ist, nämlich mit der CDU. Da äußert sich Friedrich Merz sehr klar. Auf der einen Seite haben Merz und die CDU den Kanzler sehr unterstützt. Heute kritisiert man ihn vor allem wegen seiner nicht umgesetzten Zeitenwende.
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Gleichzeitig ist es ja auch Teil der Wahrheit, dass die CDU/CSU 16 Jahre lang schon mal Verantwortung für das Verteidigungsministerium gehabt hatte. Dort war die Situation erst entstanden, dass man die Bundeswehr so lange Jahre nicht nur gesellschaftlich, sondern auch finanziell ignoriert hatte. Unabhängig davon, welche Partei sich am Ende durchsetzen würde, kann man von außen ganz nüchtern sagen: Wir brauchen eine Zeitenwende in der Zeitenwende.“
Das Buch „Zeiten ohne Wende – Anatomie eines Scheiterns“ von Christian Schweppe erscheint über den Verlag C.H. Beck und ist seit dem 10. Oktober erhältlich.