Operation, Klinikeinweisung – vieles ist überflüssig, sagt der Mediziner Matthias Thöns und ist regelrecht verzweifelt über das vermeidbare Leid.
Witten.
Unfassbar sei das, was er Tag für Tag erlebe, wenn er zu Menschen am Ende ihres Lebens gerufen werde, sagt Matthias Thöns, Palliativarzt in Witten. Statt zu akzeptieren, dass der Kranke im Sterben liege, würden „auf Teufel komm raus Diagnosen und Therapien eingeleitet“. Thöns hält es für Geschäftemacherei mit den Sterbenden.
Noch kurz vor dem Tod würden Operationen angeordnet. „Manche alte Patienten aber, die operiert wurden, müssen danach fixiert werden, weil sie unter Verwirrtheit leiden. Eine Operation ohne Notwendigkeit ist eine schwere Straftat“, so Thöns.
Er berichtet von einem Patienten mit Mundbodenkrebs. „Der Tumor wuchs aus dem Hals raus, die Wunde stank, schmerzte und wurde von Tag zu Tag größer. Der Patient konnte und wollte nicht mehr damit leben. Er wollte nur noch schlafen, keinesfalls irgendwelche Operationen“, so Thöns. „Aber die HNO-Uniklinik sagte der Ehefrau, ohne Luftröhrenschnitt werde er ersticken. Also willigte sie ein. Zwei Wochen nach dem Eingriff verblutete der Patient.“
„Nie mehr ins Krankenhaus“
Thöns ist regelrecht verzweifelt. Denn Atemnot lasse sich einfach mit Morphium behandeln, dafür braucht es keinen Luftröhrenschnitt – „aber das kostet ja nichts.“
Thöns berichtet von einem 70-Jährigen, der mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Sterben lag. Sein Wunsch: „Nie mehr ins Krankenhaus.“ Doch „Hals über Kopf wurde der Krankenhaustransport organisiert“. Dann habe sich der Zustand verschlechtert. Wieder und wieder habe der Patient gebettelt: „Ich will raus – nach Hause“. Dies sei nicht möglich, habe der Krankenhausarzt gesagt: „keine Transportfähigkeit“.
Als er nach fünf Tagen nach Hause kommt, „spürt er das nicht mehr, denn er liegt im Koma“.