Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim bleibt weite strittiglgt weiter konfrontativ.
Heppenheim (dapd-hes). Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim bleibt weite strittiglgt weiter konfrontativ. Auf Einladung des Grünen-Landtagsabgeordneten Marcus Bocklet trafen sich am Freitag Internatsleitung, Opfervertreter und der Landrat des Kreises Bergstraße, Mathias Wilkes (CDU), mit dem Ziel, bestehende Querelen auszuräumen. „Die Schule als Täterorganisation ist in Zugzwang, bisher kommt Aufklärung meist nur von Opfern“, sagte Bocklet in Heppenheim. Das Reforminternat musste auf dem Treffen schwere Vorwürfe hinnehmen.
Der jahrzehntelange Missbrauch durch Lehrer an der Odenwaldschule seit spätestens 1965 und womöglich bis über 1998 hinaus war 2010 endgültig bekannt geworden. Über 500 Schülern könnte sexuelle Gewalt angetan worden sein, sagten Opfervertreter am Freitag. Bocklet vertritt eine frühere Internatsbewohnerin, die in einer Petition an den Landtag die schleppende Aufarbeitung kritisiert hatte. Bis in die jüngste Vergangenheit seien Betroffene von der Schule herabgewürdigt und neu traumatisiert worden, kritisierte ein Sprecher des Opfervereins Glasbrechen.
„Keiner wollte es hören an der Odenwaldschule“
Die Petentin Stefanie Michael, im Internat von 1985 bis 1989, schilderte zu Beginn des Treffens, wie sie in den Jahren vor 2010 vergeblich um eine Aufklärung der Missbräuche kämpfte. „Keiner wollte es hören an der Odenwaldschule, niemand war verantwortlich“, berichtete sie. Sie habe nicht mal erfahren, ob das Internat intern das Geschehene thematisiere. 2010 strengte die inzwischen aus dem Amt geschiedene Schulleiterin Margarita Kaufmann eine Untersuchung der Vorfälle an, über die die „Frankfurter Rundschau“ 1999 erstmals berichtete.
Die jetzige kommissarische Leiterin der Odenwaldschule, Katrin Höhmann, verwies in der Diskussion auf die zur Prävention gegen Missbrauch erfolgten Strukturveränderungen am Internat. Gleichzeitig habe die von Schule und einem Förderkreis gegründete Stiftung „Brücken bauen“ 274.000 Euro ausgezahlt, pro Opfer zwischen 4.000 und 20.000 Euro. Der Sprecher von Glasbrechen kritisierte aber, ein Teil der Gesamtsumme sei für Präventivmaßnahmen verwendet worden.
Auch mit einer „Dokumentensichtung“ solle nun geklärt werden, warum das Internat seit 1997 auf Hinweise von Opfern nicht reagiert und Briefe von Betroffenen nicht beantwortet habe. Der Grünen-Politiker Bocklet erklärte dazu ungehalten, faktisch habe die Odenwaldschule seit Jahren nichts aufgeklärt und keine Finanzen dafür requiriert. Altschüler äußerten Zweifel am Aufklärungswillen der Verantwortlichen, auch weil im Lehrerkollegium noch Pädagogen aus der fraglichen Zeit säßen.
Die Jugendhilfe des Kreises Bergstraße zahlt seit 2010 Schülern aus Problemverhältnissen nicht mehr den Besuch der Odenwaldschule. „Das bleibt so, so lange im Internat Schüler und Erzieher weiter zusammenwohnen“, sagte Landrat Wilkes. Vertreter der Schule reagierten darauf „entsetzt und schockiert“. Das Prinzip des Lebens in Familien gehöre zum Reformkonzept, erklärten die Pädogogen.
Bocklet erreichte am Ende des Treffens wenig. Eine Sofortzahlung von 100.000 Euro an Glasbrechen lehnte die Schule ab. Als Vertreterin des Opfervereins sagte die frühere Präsidentin des Frankfurter Oberlandesgerichts, Brigitte Tilmann, ihr gefriere „das Blut in den Adern“. Erneut müsse eine Versammlung aller Beteiligten scheinbar friedlich auseinandergehen, ohne dass Beschlüsse gefasst wurden.
dapd
2012-10-05 20:20:51.0