Die Familie Lahnstein ist seit Jahrzehnten mit der Partei im Geschäft. Nun verklagt man sich gegenseitig. Es geht um die Frage, ob neue Öko-Wahlplakate wirklich mangelhaft sind oder nur falsch montiert wurden. Eine Dattelner Druckerei gerät daher wirtschaftlich unter Druck.
Solingen/Datteln.
Der Streit zwischen einer Solinger Werbeagentur und der SPD-Wahlkampfzentrale um Zigtausende angeblich mangelhafte Öko-Wahlplakate eskaliert. Silke Lahnstein, die Geschäftsführerin der Agentur Kompla in Solingen, ist verbittert. Sie klagt gegen die SPD, weil die Partei die umstrittenen „Eco-Wave“-Plakate zwar bei ihr bestellt, aber nicht bezahlt hat.
Es geht laut Lahnstein um offene Rechnungen über 400.000 Euro. Der Schaden könnte noch größer sein, denn betroffen ist auch eine Druckerei in Datteln, die Firma Rabsch. Dort heißt es: „Bei uns stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, wenn die SPD die Rechnungen mit Kompla nicht begleicht.“
Verwandte des Ex-Finanzministers Manfred Lahnstein ist verbittert
Kompla ist für die SPD nicht irgendeine Werbefirma. Chefin Silke Lahnstein ist die Nichte des früheren Bundesfinanzministers und Kanzleramts-Chefs Manfred Lahnstein. Dessen Bruder Volker gründete die Firma Lahnstein Werbung, die mehrere Jahrzehnte lang die SPD und Gewerkschaften mit Werbematerial versorge. Diese lange währende Zusammenarbeit zwischen den Lahnsteins und der Partei mündet nun in ein Zerwürfnis.
Das Wahlkampf-Team um SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat Anleitungen und Musterschreiben an die Ortsvereine und Unterbezirke der Partei in ganz Deutschland geschickt. Tenor: Nehmt die Plakate bei Lieferung an, aber verwendet und bezahlt sie nicht. Die Partei kündigt ihrerseits ein juristisches Vorgehen gegen Kompla an.
Wetterfest oder nicht?
Im Kern geht es um diese Frage: Sind die von Kompla auf den Markt gebrachten neuen Plakate aus umweltfreundlicher Pappe wetterfest oder nicht? Kompla ist von der Qualität der ökologischen Wahlwerbung überzeugt. Tests bei den jüngsten Landtagswahlen in NRW und in Niedersachsen hätten dies bewiesen. „Wir haben zum Beispiel 25 Doppel-Plakate in Niedersachsen im Winter bei Schnee getestet. Das hat bestens funktioniert“, sagt Silke Lahnstein. In diesem Bundestagswahlkampf hätten die „Eco-Wave“-Plakate lediglich in Niedersachsen gehangen. Ein Unwetter mit Hagel in der letzten Juliwoche habe zu Schäden geführt. Im Übrigen, so Lahnstein, hätten viele Wahlkämpfer die Plakate „nicht sachgerecht“ montiert.
Die SPD sieht das anders. „Eco-Wave“ sei „mangelhaft“, urteilt die Leitung der Wahlkampagne. Und in einem Musterschreiben, das die Ortsvereine per Einschreiben an Kompla schicken sollen, steht: „Die Plakate weisen nicht die erforderlichen und vertraglich zugesicherten Beschaffenheiten auf, weil sie weder wasserfest noch entsprechend robust sind. Die Plakate lösen sich quasi auf, wenn diese in Berührung mit Regenwasser kommen und fallen sofort herunter.“ Die SPD setzte Kompla daraufhin unter Druck. Innerhalb von drei Tagen sollte das Problem beseitigt werden. Inzwischen hat eine andere Firma den Auftrag, die Partei mit Plakaten zu versorgen.
Strittig ist übrigens auch, um wie viele Plakate es überhaupt geht. Die SPD hatte gegenüber dieser Zeitung von rund 90.000 gesprochen. Kompla-Chefin Lahnstein: „Es sind 135.000.“ Die Partei wollte sich auf Nachfrage nicht weiter zum Plakate-Streit äußern. Ein Sprecher verwies auf die „laufende gerichtliche Auseinandersetzung“.
Drucker in Datteln warten vergeblich auf 200 000 Euro
Wer bezahlt die Rechnung? Diese Frage bewegt in NRW vor allem die 30 Mitarbeiter von Rabsch Siebdruck in Datteln. Denn es geht in diesem Streit um ihre Jobs. 30.000 Öko-Plakate hat Rabsch für Kompla und damit für die SPD gedruckt. Preis: 80.000 Euro. Aber der Schaden ist viel größer. „Kompla steht bei uns mit 200.000 Euro in der Kreide, weil wir auch andere Plakate für die Firma produziert haben“, rechnet Prokurist Achim Kaufels vor. Seine Sorge: Wenn Kompla kein Geld von der SPD bekommt, dann bleibt auch diese große Rechnung offen. „Unserer Branche geht es nicht sehr gut“, sagt Kaufels. Der wirtschaftliche Schaden, der durch die „Eco-Wave“-Panne entstehen könnte, würde Rabsch jahrelang belasten.
„Die Plakate sind in Ordnung“, beteuert Kaufels. Gibt aber zu, dass es schwierig sei, „Eco-Wave“ zu plakatieren. Der obere Kabelbinder müsse nachträglich noch einmal festgezogen werden, dafür brauche man eine Leiter. Immerhin: Jeder Kunde habe eine gute Montageanleitung bekommen.