- Regierung will Fördermittel zur Vorbeugung vor Extremismus verdoppeln
- Unterschiedliche lokale Schwerpunkte
- Bundesweit 218 Kommunen werden bereits unterstützt
Berlin.
Nach den Anschlägen in Bayern bekommt die Prävention einen höheren Stellenwert. Sie ist Teil des Neun-Punkte-Plans von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Wo immer notwendig und erkennbar, muss das erweitert werden“, hatte Merkel angekündigt. Schon vorher hatte ihre Regierung für den Haushalt beantragt, ab 2017 die Fördermittel zur Vorbeugung vor Extremismus von jährlich 50 auf 104,5 Millionen Euro zu verdoppeln. Die neue Prioritätensetzung ist ein Selbstläufer – nach „Ansbach“ und Merkels Ansage.
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) nutzte schon die letzten Monate für eine Flurbereinigung. Erst verständigte sie sich mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf eine gemeinsame Strategie, danach holte die Sozialdemokratin die Länder ins Boot. Im nächsten Schritt will sie die Extremismusprävention per Gesetz absichern. Der Vorteil: Dann bekämen die vielen Initiativen und Projekten vor Ort mehr Planungssicherheit. „Derzeit erarbeitet mein Haus einen Entwurf für ein solches Bundesgesetz zu geben“, erklärte die SPD-Politikerin unserer Zeitung. Sie wird das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Schon der Untersuchungsausschusses, der die Untaten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und die staatlichen Versäumnisse prüfte, hatte empfohlen, die Maßnahmen für Prävention und Demokratieförderung zu bündeln und zu optimieren.
Bund hat Fördermittel bereits erhöht
Bundesweit sei mehr Prävention „dringend“, meint auch NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). „Die Anschläge der jüngeren Vergangenheit haben uns auf schreckliche Weise vor Augen geführt, dass die Täter immer jünger werden“, sagte er unserer Redaktion. Die Erfahrungen mit dem NRW-Projekt „Wegweisen“ zeigten, dass es gelingen kann, Jugendliche nicht abrutschen zu lassen oder sogar aus der Salafisten-Szene herauszuholen. Doch dauere das „oft Jahre“ und eine hundertprozentige Erfolgsquote sei eine „Illusion“. Trotzdem sehe er keine Alternative. Man dürfe die Jugendlichen und ihre Eltern, Geschwister, Lehrer oder Freunde mit ihren Fragen, Sorgen und Ängsten nicht alleine lassen. „Die salafistischen Extremisten versuchen nicht nur, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Auch die Entfremdung von der eigenen Familie gehört zu ihrer Strategie.“ Jäger mahnte, das sei eine Gefahr, die „nicht einfach von alleine“ verschwinde.
Dabei hat der Bund längst die Fördermittel von 40,5 Millionen auf 50,5 Millionen Euro in diesem Jahr erhöht. Allerdings lag der Fokus bisher vor allem auf den Kampf gegen Rechtsextremismus und militante Linke. Auf Maßnahmen gegen den gewaltbereiten Islamismus entfallen bisher jährlich zehn Millionen Euro.
Schwesig zufolge werden zwei Drittel der Gelder an feste Strukturen gegeben. Dazu gehören bundesweite Träger und die Demokratiezentren in den 16 Bundesländern. Daneben steckt der Bund Geld in Modellprojekte. Auch das Innenministerium gibt zwölf Millionen Euro für ein eigenes Programm aus.
Geld allein reicht nicht
Mehr Geld allein allerdings reicht nicht. Viele Initiativen seien zwar sinnvoll, aber häufig nicht abgestimmt, hatte de Maizière beklagt. Mit ihm einigte sich Schwesig darauf, sie besser zu verzahnen. Danach begrüßten die Ministerpräsidenten in einer Zehn-Punkte-Erklärung die Weiterentwicklung von „Demokratie leben!“ Sie lobten, dass Schwesigs Vorzeigeprogramm nun stärker an den Bedürfnissen der Kommunen und Länder orientiert werde. Politisch hat Schwesig ihren Punkt gemacht.
Die Prävention soll online genau so verstärkt werden wie in Moscheen oder Gefängnissen. Bundesweit werden 218 Kommunen unterstützt, die sich am Programm beteiligen. Gefördert werden Koordinierungs- und Fachstellen, Aktions- und Initiativfonds, Partizipations-, Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit sowie Jugendforen zur Stärkung der Jugendpartizipation gefördert.
Extremismusprävention ist eine Graswurzel-Bewegung: Am ehesten lassen sich Radikalisierungstendenzen lokal und regional erkennen – und wie man dagegen am besten vorgehen kann. In Mecklenburg-Vorpommern steht der Kampf gegen Rechts, in NRW der Salafismus im Vordergrund. Nach Jägers Angaben haben sich dort in über 5.000 Fällen Menschen an „Wegweiser“ gewandt. Mehr als 160 würden von Pädagogen und Sozialarbeitern intensiv betreut. (dpa)