Wer fordert 2017 als Kanzlerkandidat Angela Merkel heraus? Parteichef Sigmar Gabriel wird wohl antreten. Dabei weiß er, dass die Chancen gering sind.
Berlin.
Eigentlich würde es die SPD gern spannend machen: Der Kanzlerkandidat für die Wahl 2017 soll nach internen Planungen erst in anderthalb Jahren vorgestellt werden – Ende 2016, wenn fünf Landtagswahlen Aufschluss über die Stimmungslage im Land gegeben haben. Je später, desto besser, um die Kandidatur nicht zu zerreden. Nette Idee.
Entsprechend verärgert zeigten sich führende Genossen am Dienstag über Meldungen, Parteichef Sigmar Gabriel habe sich bereits entschieden, 2017 anzutreten. „Eine bescheuerte Debatte, was soll das im Frühjahr 2015?“, schimpfte Parteivize Ralf Stegner. Absurd, hieß es in der Parteispitze; da sei nichts dran, erklärte Gabriels Umfeld. Der Chef des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sagte dieser Zeitung: „Vor Herbst 2016 ist die Debatte komplett überflüssig.“ Doch er fügte hinzu: „Der Parteichef hat das erste Zugriffs- und das Vorschlagsrecht – und das ist gut so.“
Kaum Chancen gegen Merkel
Das sieht Gabriel nicht anders. Die Debatte will er zwar vermeiden, aber es ist inzwischen so gut wie sicher, dass Gabriel das Zugriffsrecht nutzt und kandidiert – wohl wissend, dass die SPD die Wahl gegen Kanzlerin Angela Merkel nicht gewinnen kann. Praktisch die gesamte SPD-Spitze geht fest davon aus, dass Gabriel antritt. Andernfalls würde der 55-Jährige das schrittweise Ende seiner politischen Laufbahn einläuten. Dass er umgekehrt sein Parteiamt riskierte, wenn er der SPD als Kandidat eine erneute Niederlage beschert, wird von Gabriel-Unterstützern vehement bestritten.
Längst läuft sich der Kandidat warm: Als Wirtschaftsminister profiliert sich der Parteichef als Mann der Mitte, der verlässlich Verantwortung trägt für den Standort Deutschland; nur wenn der Kanzlerkandidat Wirtschaftskompetenz vermittelt, kann er bei bürgerlichen Wählern punkten, so das Kalkül. Hatte Gabriel die SPD in der Opposition nach links gerückt, so steuert er jetzt wieder in die andere Richtung: Die Steuererhöhungspläne aus dem Wahlkampf 2013 etwa hat er im Alleingang kassiert. Zuletzt ließ der Minister ein Wirtschaftsforum der SPD gründen, in dem jetzt Unternehmer die Partei beraten.
Noch in Deckung bleiben
Für 2017 hat Gabriel bereits einen Strategen aus dem Wahlkampf-Team von US-Präsident Barack Obama engagiert. Doch so frühzeitig die Maschinen in der Parteizentrale angeworfen werden, so sehr möchte der SPD-Chef in der Deckung bleiben – als Merkel-Herausforderer, der an ihrer Seite noch zwei Jahre ruhig im Kabinett arbeitet, hätte er sonst ein Problem.
„Wir müssen möglichst lange durch ruhiges Regieren Vertrauenskapital ansammeln“, sagt ein Spitzengenosse. Das braucht Gabriel auch in seiner Partei, in der erste Zeichen einer Entfremdung registriert werden. Die SPD kommt auf Bundesebene aus dem Umfragetief von 25 Prozent nicht heraus, die Stimmung ist schlecht, die Kritik am Vorsitzenden wird lauter.
Kraft und Steinmeier winken ab
Wer statt Gabriel die SPD in den Wahlkampf 2017 führen könnte, ist deshalb in Parteizirkeln intensiv diskutiert worden. Allein, gefunden hat sich niemand: SPD-Vize Hannelore Kraft hat frühzeitig abgesagt. Olaf Scholz, auch Vize-Parteichef, fehlt es parteiintern an Rückhalt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist zwar populär, aber er will sich nicht ein zweites Mal eine Niederlage gegen Merkel einhandeln. Auch die Idee, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ins Rennen zu schicken, ist versandet.
Aber die interne Kandidatendiskussion drohte jetzt Gabriels Autorität zu beschädigen. Schon bröckeln Loyalitäten, weil der Vizekanzler auf schwierigen Baustellen vielen Genossen auf die Füße tritt. Doch sind die Konflikte für Gabriel auch eine Chance: Setzt er sich durch, könnte er bald als mutiger Macher dastehen, ein Gegenbild zur konfliktscheuen Kanzlerin.
Rot-Rot-Grün hat die SPD praktisch ausgeschlossen
Dass Merkel antritt, daran hat die SPD-Spitze keinen Zweifel. Dass sie kaum zu schlagen ist, ebenso. „Merkel ist die denkbar schwierigste Gegnerin“, sagt einer aus der engsten Führung. Weil Gabriel einen Machtwechsel zu Rot-Rot-Grün praktisch schon ausgeschlossen hat, gilt es aus SPD-Sicht jetzt vor allem, ein Bündnis von Union und Grünen zu verhindern. Man müsse alles tun, um selbst weiter in der Regierung zu sein, sagt ein führender Genosse.