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Schlacht um Kundus offenbart Mängel afghanischer Truppen

Schlacht um Kundus offenbart Mängel afghanischer Truppen

Kundus. 

Wenige Stunden benötigten die Taliban, um Kundus zu erobern. Drei Tage brauchten afghanische Regierungstruppen, bis sie die Provinzhauptstadt mit ihren 300 000 Einwohnern wieder unter ihre Kontrolle bringen konnten – auch das gelang nur mit ausländischer Hilfe. Zwischendurch schien es, als könnten der Flughafen und das ehemalige Bundeswehr-Feldlager am Stadtrand an die Extremisten fallen. Auch wenn die Taliban für den Moment aus Kundus vertrieben sind: Die Eroberung der Stadt ist ihr größter Erfolg seit dem Einmarsch der US-geführten Truppen vor 14 Jahren.

Der psychologische Effekt für die Bevölkerung in Afghanistan ist verheerend. Dass die Sicherheitskräfte Zivilisten nicht vor Anschlägen der Taliban schützen können, ist lange bekannt. Nun haben die Taliban bewiesen, dass die Regierung nicht einmal die Eroberung strategisch wichtiger Provinzhauptstädte wie Kundus verhindern kann. Das wirft kein gutes Licht auf Armee und Polizei, von denen das Überleben der Regierung von Präsident Ghani abhängt.

Nach Beginn der Taliban-Offensive am Montag hatte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin noch gesagt, die afghanischen Sicherheitskräfte seien weiterhin „grundsätzlich in der Lage, den Taliban entgegenzutreten“. Daran darf inzwischen gezweifelt werden.

Den Gegnern die Waffen überlassen

Ein Mitarbeiter der afghanischen Regierung sagt, die Polizei sei bei der Verteidigung der Stadt am Montag zunächst alleine auf sich gestellt gewesen, weil die Armee stundenlang nicht ausrückte. Am Mittwoch eroberten die Taliban eine wichtige Basis am Nordrand der Stadt. Das Provinzratsmitglied Aminullah Ajuddin sagte, die rund 60 Soldaten dort hätten den Taliban im Tausch gegen ihr Leben die Hälfte ihrer Waffen und Munition überlassen – und seien dann geflohen.

Auch die Rückeroberung von Kundus bekamen die Regierungstruppen nicht alleine hin. Ausländische Soldaten mussten helfen, obwohl die Nato seit vergangenem Jahr keinen Kampfauftrag mehr hat. Die Nato-Mission „Resolute Support“ ist eigentlich nur zur Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte im Land.

Der Fall von Kundus wirft auch die Frage auf, was die Ausbildungsmission „Resolute Support“ bringt. Der Nato-Kampfeinsatz wurde 2014 nicht beendet, weil die Sicherheitslage das erlaubt hätte, sondern weil die Truppensteller kriegsmüde waren. „Resolute Support“ war ein Kompromiss, um einen Totalabzug mit potenziell verheerenden Folgen wie im Irak zu vermeiden.

Bei „Resolute Support“ (RS) werden afghanische Soldaten nicht etwa dazu ausgebildet zu kämpfen, wie das die Bundeswehr mit kurdischen Peschmerga im Nordirak macht. RS-Soldaten beraten Offiziere in Stäben oder Beamte in Ministerien.

Neuer Nato-Kampfeinsatz strittig

Auch machen die Berater nur einen kleinen Teil der ausländischen Truppen aus: Bei der Bundeswehr in Masar-i-Scharif ist das nur eine zweistellige Zahl der 700 Soldaten. Der Rest dient vor allem dazu, den Betrieb im Einsatz aufrecht zu erhalten. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, spricht sich bereits für einen erneuten Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan aus.

Dafür dürfte der Wille im Westen fehlen. Kundus hat aber eine Debatte entfacht, ob der Abzug der Soldaten fortgesetzt werden kann. Bisher ist geplant, ab Anfang 2016 alle Nato-Truppen aus der Fläche nach Kabul zurückzuziehen. Ein Blick in die Geschichte mag da von Interesse sein: Kundus fiel schon einmal an Aufständische. Mitten im Abzug der Roten Armee nahmen die Mudschaheddin im August 1988 die Stadt ein – auch damals war es die erste wichtige Stadt in Afghanistan, die fiel. Wenige Jahre später war das Land im Chaos versunken.