Für viele Soldaten der Bundeswehr lassen sich Familie und Beruf nur schwer unter einen Hut bringen. Der am Dienstag veröffentlichte Jahresbericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) weist eine große Zahl von Pendlern mit teilweise extrem hohen Trennungs- und Scheidungsraten aus.
Berlin.
70 Prozent der Soldaten pendeln zwischen Kaserne und Wohnort. Daran hat auch die
Bundeswehr-Reform nichts geändert.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) habe die Chance „vertan“,
Standorte regional zu bündeln, um die Anfahrtswege und die Abwesenheit von der
Familie zu reduzieren, beklagte der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) bei der Vorstellung seines Jahresberichtes in Berlin.
Die Folgen sind nach der Darstellung des FDP-Politikers „zum Teil
extrem hohe Trennungs- und Scheidungsraten“. Denn die Bundeswehr, so empfinden es die Soldaten, zerreißt
Familien: Atypische Arbeitszeiten, lange Abwesenheit, Versetzungen und der
Pendleralltag tragen dazu bei. In einzelnen Bereichen liege die Scheidungsrate
bei bis zu 80 Prozent, so Königshaus. Es sei schwer für Soldaten, überhaupt ein
soziales Umfeld aufzubauen. „Das ist eine Entwicklung, die das Leitbild des
Staatsbürgers in Uniform gefährdet“, warnte Königshaus bei der Vorlage des
jährlichen Berichtes. Fast jede dritte Eingabe von Soldaten drehte sich um die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Generell geht die Zahl der Eingaben zurück.
In noch 4864 Fällen wandten sich die Soldaten an den Wehrbeauftragten. Das ist
der niedrigste Stand seit 1990. Dennoch: Die Stimmung in der Truppe beschrieb Königshaus als „schlecht“. Es gebe eine
„tiefgreifende Verunsicherung“.
Immer mehr Soldaten kehren traumatisiert von Auslandseinsätzen zurück
Zur Klage über die Bedingungen passt, dass immer mehr Militärs
traumatisiert aus Einsätzen im Ausland zurückkehren. Mit 922 erreichte die Zahl
der Traumatisierten 2011 sogar einen neuen Höchststand, 26 Prozent mehr als im
Vorjahr. In 759 Fällen kamen die Soldaten aus Afghanistan.
Im Regelfall ist ein Soldat vier Monate lang in Afghanistan. Danach soll er 24 Monate in der Heimat bleiben. „Vier Monate sind das, was wir ihnen zumuten können“, verrät ein Bundeswehr-Inspekteur. In Wahrheit variiert die Dauer von Fall zu Fall. Es hängt von der Aufgabe und Region ab. Sechs Monate sind keine Seltenheit mehr, sondern für 40 Prozent des Bundeswehr-Kontingents am Hindukusch die Realität, gibt SPD-Wehrexperte Rainer Arnold zu bedenken. Mit der Einsatzzeit steigt die Zahl der Traumatisierten.
Diese Erfahrung macht die US-Armee, die ihre Soldaten für zwölf Monate nach Afghanistan schickt, und in diesen Tagen auch die Bundeswehr. Die Zahl der Traumatisierten lag 2011 bei 922. Das waren 26 Prozent mehr als im Vorjahr. In 759 Fällen kamen die Soldaten aus Afghanistan.
Oft dauert es, bis eine Traumatisierung anerkannt wird
Ihre „Stehzeit“ wird länger, ihre Einsätze werden intensiver. Das führt zu seelischen Verletzungen. „Das ist unverkennbar“, erzählt der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus. Der Anstieg sei „beunruhigend“. Sorge bereitet ihm nicht zuletzt der Umgang mit Traumatisierten. Zum einen hat die Bundeswehr zu wenig Psychologen und Psychiater. Zum anderen kann es dauern, bis eine Traumatisierung anerkannt wird. FDP-Mann Königshaus meint, dass die Betreuung zentralisiert werden muss und die Gutachten schneller vorliegen müssen.
In Wahrheit ziehen sie sich hin, auch weil erst ermittelt wird, ob ein Soldat vorbelastet ist. Der Wehrbeauftragte geht ganz anders vor: Wer in den Einsatz geht, muss als gesund gelten; sonst wäre die Entsendung nicht vertretbar. „Dann kann man sich nicht hinterher darauf berufen, dass jemand schon früher einen Schaden hatte“, erklärte er.