Rudolf Malzahn aus Bochum-Hamme, Deutschlands bekanntester SPD-Ortsvereinsvorsitzender, wird am Sonntag von Parteichef Sigmar Gabriel geehrt. Malzahn stieß vor sechs Jahren ein Parteiausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement an. Bis heute ist der Lokalpolitiker ein Freund klarer, markanter Sätze.
Bochum.
Manchmal ist Aufbegehren kein Fehler. Rudolf Malzahn (71), Sozialdemokrat aus Bochum-Hamme, hat kein Problem mit seiner rebellischen Art. Der Mann, der mit seinen Genossen aus Hamme 2008 ein Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Bundeswirtschaftsminister und NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement anstieß, ist gerade deshalb heute der berühmteste Ortsvereinsvorsitzende Deutschlands. Um Malzahn für 50 Jahre in der SPD zu ehren, will ihm am Sonntag sogar der Parteichef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel eine Urkunde überreichen. Gabriel ist dann zum zweiten Mal in zwei Monaten Gast dieses Ortsvereins.
Wann immer es in der SPD rumort, wann immer es um Koalitionen, politisches Personal, soziale Fragen und die „Meinung der Basis“ geht, klopfen Rundfunk- und Zeitungsleute bei Rudolf Malzahn an. Und der gibt dann verlässlich rustikale Sätze von sich wie „Warum geht man nicht an die ran, die ein Schweinegeld verdienen“ oder „Gerhard Schröder ist käuflich“. Zum braven Parteisoldaten taugt dieser Malzahn nicht. Aber er ballert ganz gern scharf.
Das passende Adjektiv zu dieser klassischen Ruhrgebietsfigur ist: knorrig. Wer ein halbes Jahrhundert Sozialdemokratie auf den Schultern trägt, scheint am Ende nicht feingeschliffen zu sein, sondern eckig, kantig, rau. „Ich bin impulsiv“, sagt er über sich. Und dass er gerne kämpft. Die Grunddaten dieser Revier-Biografie: 1958 Ausbildung zum Maschinenschlosser, gleichzeitig Eintritt in die IG Metall, 1964 in die SPD, Techniker bei den Stahlwerken Bochum, 28 Jahre Betriebsrat. Verwitwet, wieder verheiratet, ein Sohn, zwei Enkel und ansonsten: „Kümmerer“.
Werte aus den 1960er Jahren
Die Werte, die er mit sich herumträgt, stammen aus den 1960er-Jahren aus einer SPD, die es so, wie Malzahn feststellt, nicht mehr gibt. „Nie war diese Partei so nah am Bürger, so tief drin in den Stadtteilen wie damals.“ Er versucht, das in Hamme zu konservieren, so gut es geht. Leitbild: Das Wir ist besser als das Ich. „Wir sind ein gutes Team im Ortsverein, und einer steckt eben den Kopf heraus.“
„Der Rudi hat keine Muffe, vor keinem“, erklärt Klaus Amoneit, sein Stellvertreter im Ortsverein. „Es gibt ja heute in der Politik so viele glatte Typen. Junge, studierte Leute, denen man beibringt, nie einen Fehler machen zu dürfen. Immer perfekt und gut müssen die sein. Und wenn mal was schiefgeht, dann können die das nicht ertragen. Dabei ist das Gegenteil doch richtig: Nur, wer Fehler zugeben kann, der hat eine Chance auf Anerkennung.“
ParteienSchonungslos offene Sätze
Was Malzahn sagt, klingt meist so schonungslos offen, dass Parteifunktionäre nervös werden könnten. Zum Beispiel…
… über Gerhard Schröder: „Der wird nicht mehr mein Freund. Der kommt von ganz unten und hat das vergessen. Heute ist er am liebsten bei Leuten wie Maschmeyer und Putin.“
… über die Große Koalition: „Wir glauben in Hamme nach wie vor, dass das nicht richtig war. Wir sind dafür, es mal mit Rot-Rot-Grün zu probieren.“
… über diverse Parteivorsitzende und Kanzlerkandidaten: „Sigmar Gabriel ist einer von uns, mit dem kann man warm werden. Der kommt bei der Basis an. Aber bei Steinbrück, Schröder und Steinmeier ist das nicht so. Die sind doch irgendwie unnahbar für normale Leute.“
Die Geschichte mit Clement rumort auch sechs Jahre danach noch immer in Malzahns Kopf herum. Er habe einfach etwas unternehmen müssen, als sich Clement mitten im Hessen-Wahlkampf kritisch über die eigene Spitzenkandidatin äußerte. Keine Angst vor großen Tieren, ist ein Lebensmotto dieses Bochumers. „Jeder ist gleich, jeder hat nur einen Sitz und eine Stimme.“ Und jeder kann beißen, wenn er nur will.