Hagen.
In der SPD im Ruhrgebiet wird harsche Kritik laut an der schwarz-roten Koalition in Berlin und an der Arbeit der eigenen SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Revier. Der Bund vernachlässige die Probleme des Ruhrgebietes wie Armutszuwanderung, Überschuldung und hohe Soziallasten, heißt es. Und die Abgeordneten müssten endlich mal deutlich sagen, dass diese Region dringend Hilfe benötige.
„Es geht nicht an, dass die Interessen der Revierstädte so mangelhaft berücksichtigt werden“, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link dieser Zeitung. Link nennt als Beispiel die Solidarzahlungen, die nach Wunsch der Revierstädte künftig nicht mehr nach Himmelsrichtung, sondern nach „Bedarf“ fließen sollen. „Da ändert sich nichts, obwohl wir um Hilfe rufen“, so Link. Ähnliches gelte für die vom Bund angekündigte Soforthilfe für Städte mit starker EU-Zuwanderung, die längst hätte fließen sollen, für die Flüchtlingsproblematik und für die vom Bund zugesagte Entlastung bei der Eingliederung von Behinderten. „Wann, wenn nicht in einer Großen Koalition, kann man diese Probleme lösen? Der Vorwurf richtet sich auch an die eigenen SPD-Bundestagsabgeordneten“, stellt Link klar.
Kraft soll mehr einfordern
Zu den schärfsten Kritikern der Bundes- aber auch der NRW-Landespolitik gegenüber dem Revier gehört Frank Baranowski, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen und einer der wenigen SPD-Kommunalpolitiker, denen es noch gelingt, bei Wahlen weit über 60 Prozent der Stimmen zu holen. Wenn Baranowski nach Berlin blickt, gehen ihm viele Fragen durch den Kopf. „Wir wissen immer noch nicht, wann die versprochenen 25 Millionen Euro Soforthilfe für Kommunen mit starker Armutszuwanderung fließen. Wir wissen nicht genau, wann der Bund wie viel für die Eingliederungshilfe zahlen wird. Die SPD-Landesgruppe im Bundestag hat immerhin erreicht, dass jetzt über drei Milliarden Euro ab 2017 besprochen wird. Aber was wurde in der Großen Koalition wirklich zur Eingliederungshilfe vereinbart? „Wir wissen es nicht“, sagt Baranowski. Er sollte es aber wohl längst wissen, denn die Entlastung bei der Eingliederungshilfe gehört zu den zentralen Versprechen der Großen Koalition. Baranowski bezieht die NRW-Landesregierung in die Kritik ein: „Die Herausforderungen des Ruhrgebietes werden in Düsseldorf und Berlin unzureichend berücksichtig.“ Die rot-grüne Regierung von Hannelore Kraft müsse in Berlin für das Revier mehr einfordern. Baranowski bedient sich ausgerechnet einer Lieblings-Redewendung der Ministerpräsidentin: Bei der NRW-Regierung fehle „die klare Kante.“ Empört ist Baranowski über das Verbot aus Düsseldorf, versprochene Gelder des Bundes in die Haushalte der Revierstädte einzuplanen.
Ein bisschen so wie die CSU
Der Dortmunder Franz-Josef Drabig, Mitglied im Präsidium der NRW-SPD, empfiehlt den Sozialdemokraten im Revier „ein bisschen CSU zu spielen“. Gemeint ist der fordernde Auftritt der CDU-Schwesterpartei im Bund.
Das Misstrauen gegenüber dem Bund, aber auch gegenüber der NRW-Landesregierung sitzt tief. Oberhausens Kämmerer Apostolos Tsalastras (SPD) und mehrere Amtskollegen reagierten entsetzt, als das NRW-Innenministerium ihnen verbat, die vom Bund in Aussicht gestellten Gelder für die Eingliederungshilfe fest in ihre Haushalte einzurechnen. Oberhausen kündigte daraufhin in einer Not-Reaktion mehr Tempo-Kontrollen auf Autobahnen und weniger Instandhaltung von Straßen an.
Bei der Ruhrkonferenz der SPD vor wenigen Wochen hatte Baranowski schon einmal klargemacht, dass die Sozialdemokraten in Bund und Land ohne die starken Wahlergebnisse an der Ruhr ziemlich alt aussehen würden. Nun legte er nach: „Die Ruhr-SPD ist ein Schwergewicht in der SPD. Man muss ja nur mal auf die politische Landkarte schauen und dort die roten Flecken suchen. Der dickste rote Fleck ist hier bei uns.