Nicht wenige zählen die Tage bis zum Renteneintritt. Sie beneiden ihre älteren Zeitgenossen, die die Schwelle zum wohlverdienten Lebensabend bereits überschreiten durften. Doch die Rente bringt auch negative Folgen mit sich. Welche das sind, erklärt Hendrik Schmitz (Professor für Statistik und Quantitative Methoden der Empirischen Wirtschaftsforschung an der Universität Paderborn und Wissenschaftler beim RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen), der den Rückgang kognitiver Fähigkeiten älterer Menschen in Europa und den USA untersucht.
Hendrik Schmitz erklärt: „Mit mehr Freizeit steigt unsere Lebenszufriedenheit, wenn wir in Rente gehen. Aber was wir festgestellt haben, ist ein geistiger Abbau, der durch den Ruhestand beschleunigt wird“.
Rente: Frührentner büßen doppelt so viel ein
Dafür gebe es mehrere Ursachen. „Die wesentliche ist die sogenannte „Use it or lose it“-Hypothese: Das Gehirn ist in gewisser Weise wie ein Muskel, der stimuliert und gefordert werden muss. Wenn wir aus dem Arbeitsleben ausscheiden, haben wir deutlich weniger geistige Herausforderungen als vorher. Ein weiterer Grund kann der Verlust sozialer Kontakte sein“, führt Schmitz aus.
Der Wissenschaftler beobachtet Unterschiede zwischen Rentnern und Frührentnern. „Ein 70-Jähriger, der mit 60 Jahren in Rente gegangen ist, hat demnach doppelt so viel eingebüßt, wie ein 70-Jähriger, der sehr lange gearbeitet hat. Anders ausgedrückt: Der normale kognitive Abbau, den Menschen innerhalb von zehn Jahren erfahren, verdoppelt sich durch die Verrentung noch einmal“, so Schmitz.
Auch ändere sich „mit einem Renteneintrittsalter von 63 Jahren die kognitive Leistungsfähigkeit im ersten Jahr vielleicht nicht, bis der schleichende Prozess beginnt. Diejenigen, die mit 67 Jahren in Rente gehen – etwa weil sie gerne arbeiten -, erfahren unmittelbar mit Renteneintritt einen Einbruch dieser Fähigkeiten. Wir führen das darauf zurück, dass diese Personen oft in geistig anspruchsvolleren Berufen tätig sind als diejenigen, die mit 63 glücklich in Rente gegangen sind“, schildert der Professor.
Hendrik Schmitz rät deshalb: „Grundsätzlich sollten wir uns immer weiterbilden und uns gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen beruflich umorientieren. Der Weg muss nicht zwangsläufig die Frührente sein, wenn man mit Mitte 50 als Pfleger einfach nicht mehr kann. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, und das liegt nicht immer in der Hand des Einzelnen, aber darauf sollten wir als Gesellschaft achten und Alternativen aufzeigen“.