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Rassismus bei der AfD: Was steckt in den Wahlprogrammen?

Wie viel Rassismus steckt in den Wahlprogrammen der AfD?

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AFD in Düsseldorf - Kongress Europäischer Konservativer Foto: Jakob Studnar, FUNKE Foto Services
Ist die AfD ausländerfeindlich, reaktionär, offen rassistisch? Die Vorwürfe gegen die AfD wiegen schwer. Ein Experte analysiert die Wahlprogramme.

Berlin. 

Wie rassistisch ist die AfD? Die Alternative für Deutschland zeigt sich vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern am 13. März selbstbewusst. Eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap und dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) sieht die Partei in Sachsen-Anhalt bei 17 Prozent.

Volk und Identität Schlüsselbegriffe in AfD-Wahlprogramm

In den einzelnen Wahlprogrammen fallen immer wieder bestimmte Schlüsselbegriffe: Volk, Identität, Zuwanderung, Ordnungssinn und Disziplin. Wo ist die Programmatik der Partei lediglich konservativ, wo übertritt sie die Grenze zum Nationalistischen und Reaktionären?

Weniger als vier Wochen vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die Beobachter auch als Abstimmung über Merkels Flüchtlingspolitik sehen, läuft die politische Debatte heiß. SPD-Chef Sigmar bescheinigt der AfD offenen Rassismus. Sie wolle eine „völkische Gesellschaft“, die auf Ausgrenzung beruhe, sagte er in einem Zeitungsinterview.

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke erkennt im Wahlkampf der Partei eine besondere Strategie. „Sie verfolgt eine Taktik der Radikalisierung und Verharmlosung“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Ton in den Wahlprogrammen ist weniger schrill als in Talkshows oder bei öffentlichen Kundgebungen. „Die Partei kommt in den Wahlprogrammen eher opportunistisch daher“, sagt der Politikwissenschaftler. Sie schüre Ängste und mache sich diese zu Nutze. Für unsere Redaktion analysiert Funke einige ausgewählte Passagen aus den drei Wahlprogrammen der Länder, in denen die Wahlen anstehen.

1. „Bildung“ im AfD-Programm

„Schule ist auch eine Sozialisationsinstanz. Neben grundlegenden Kulturtechniken müssen deshalb ebenso die klassisch preußischen Tugenden Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Fleiß und Pflichtbewusstsein vermittelt werden.“ (AfD-Wahlprogramm, Sachsen-Anhalt S. 14)

Hajo Funke: „Dieser Programmpunkt steht beispielhaft für das autoritäre Bildungsideal der AfD. Es ist eine emphatische Beschwörung dieser alten preußischen Tugenden, ein restriktiver Ansatz. Wir haben es mit einer kulturellen Engführung zu tun, die Anglizismen ebenso ausgrenzt wie andere Glaubensrichtungen wie etwa den Islam. Die AfD will sich damit als Partei präsentieren, die als einzige tatsächlich das Deutschsein repräsentiert.

Das beobachtet man auch anderswo: Etwa als der Thüringer Landeschef Björn Höcke vor einigen Monaten in der Talkshow von Günther Jauch eine kleine Deutschland-Flagge hervorholte. Diese deutschtümelnden und zum Teil rassistisch-völkischen Tendenzen finden sich in vielen Wortbeiträgen der Mitglieder. Etwa wenn der Landesverband Sachsen-Anhalt zum Nachdenken über die „Volksgemeinschaft“ anregt. Ein zentraler Begriff nationalsozialistischen Denkens. Wer nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehört, wird im besten Falle ausgegrenzt.“

2. „Zuwanderung“ im AfD-Programm

„Fast alle Ankommenden, die auf Dauer zu bleiben gedenken, sind keine „Flüchtlinge“. Sie sind nicht an Leib und Leben bedroht, vielmehr brechen sie, angelockt von Versprechungen der Bundeskanzlerin, überwiegend aus den heimatnahen Auffanglagern oder Drittländern auf, in denen sie bereits sicher waren.“ (AfD-Wahlprogramm, Baden-Württemberg, S. 18)

Hajo Funke: „Diese Aussage ist empirisch falsch. Sie bedient sich eines rechtlichen Tricks. Der Gedanke: Wer es als Flüchtling nach Osteuropa geschafft hat, der ist nicht mehr bedroht. Das stimmt aber nicht, wie sich am Beispiel Ungarn gezeigt hat. Die dort gestrandeten Flüchtlinge waren in einer gewaltbedrohlichen Situation, weil sich das Land nicht um sie gekümmert hat. Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, ließ Merkel sie nach Deutschland einreisen. Zudem wird das Bild vermittelt, dass die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern weniger dramatisch sind, als es der Realität entspricht.“

Die AfD will Artikel 16a des Grundgesetzes ändern. Dort soll künftig nicht mehr stehen: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, sondern:

„Die Bundesrepublik Deutschland gewährt Asyl. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz“. Die AfD fordert daher die ersatzlose Streichung der entsprechenden Paragrafen 25a und 25b des Aufenthaltsgesetzes. Der Paragraf 25b regelt die „Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration.“ (AfD-Wahlprogramm, Baden-Württemberg, S. 20/21)

Hajo Funke: „In dieser Forderung nach einer Gesetzesänderung zeichnet sich ab, dass sich Deutschland im Sinne der AfD grundlegend verändern müsste. Die Partei verabschiedet sich von internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen wie dem Anspruch, Schutzsuchende eben zu schützen. Das Parteiprogramm ähnelt hier der Linie von Pegida: Die Flüchtlinge sollen doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Das gilt laut AfD auch für Kinder. Und um diese Ziele umzusetzen, muss das geltende Recht eben eingestampft werden.“

3. „Religion“ im AfD-Programm

Die AfD lehnt das Tragen von Kopftuch strikt ab.

„Bei ihm handelt es sich um ein religiös-politisches Symbol repressiver Strömungen im Islam, und es steht für die Ungleichbehandlung der Frau. Die AfD setzt sich für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und in der Schule sowie für ein generelles Burkaverbot ein.“ (AfD-Wahlprogramm, Baden-Württemberg, S. 24)

Hajo Funke: „An dieser Stelle hat die AfD offenbar von der rheinland-pfälzischen CDU-Kandidatin Julia Klöckner abgeschrieben, die Kopftücher ebenfalls klar ablehnt. Allerdings fehlt der Partei hier, wie so oft, ein differenzierter Blick: Natürlich sehen muslimische Frauen und Mädchen das Kopftuch in vielen Fällen auch als ein selbstbewusstes Zeichen, das sie nach außen tragen. Dass sich die AfD auf die „Ungleichbehandlung der Frau“ beruft ist besonders perfide, weil sie an vielen Stellen die Einschränkung der Rechte der Frauen ja propagiert, etwa wenn es um Chancen auf dem Arbeitsmarkt geht.“

4. „Familie“ im AfD-Programm

Die Familie ist laut AfD für den Fortbestand unserer Gesellschaft von unersetzbarer Bedeutung.

„Andere Formen menschlichen Zusammenlebens, die keinen reproduktiven Beitrag zum Erhalt unseres Landes leisten, verdienen Toleranz und Respekt, nicht aber staatliche Förderung“(…) Die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare ist für uns mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. (…) Eine Gender-inspirierte Gleichstellungspolitik, die die durchgehende Vollerwerbstätigkeit beider Eltern als Idealbild anstrebt, lehnen wir ab. (AfD-Wahlprogramm, Rheinland-Pfalz, S. 9)

Hajo Funke: „Hier greift die AfD die laufenden Debatten um Homosexualität in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf. Die Vorurteile gegenüber Homosexuellen treten in dieser Passage offen zutage. Wie auch beim Thema Zuwanderung nutzt die AfD hier die Verunsicherung in der Bevölkerung, um daraus eine Abwehrhaltung beim Bürger aufzubauen: Nicht nur die Flüchtlinge bedrohen unsere Gesellschaft, sondern auch homosexuelle Paare. Das ignoriert die Achtung der Verschiedenheit, die grundlegend für unsere Demokratie ist. Wir haben es hier eher mit einem vordemokratischen Verständnis von Politik zu tun, wie es in Preußen verbreitet war.“