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Private Hochschulen in NRW erleben einen Boom

Private Hochschulen in NRW erleben einen Boom

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Foto: GEORG LUKAS
Innerhalb weniger Jahre hat sich die Zahl der Studenten an nichtstaatlichen Unis und Fachhochschulen verdreifacht.

Essen. 

Solche Studenten wünschen sich die Arbeitgeber: Neben dem Job gehen sie abends oder am Wochenende in die Hochschule, absolvieren rasch und zielstrebig ihr Studium, blenden ihr Privatleben für einige Jahre aus und starten gut qualifiziert ihre Berufskarriere. Private Hochschulen bieten dafür immer mehr maßgeschneiderte Angebote an: Sie locken mit berufsbegleitenden Studiengängen, oft in Teilzeit oder als duales Studium, das berufliche Ausbildung mit akademischem Abschluss kombiniert.

Und das kommt offenbar immer besser an: Seit Jahren wächst die Zahl privater Hochschulen in NRW, und die Zahl der Studierenden explodiert förmlich. Der Zulauf ist prozentual noch deutlich größer als bei den staatlichen Hochschulen.

NRW liegt weit an der Spitze

Gab es im Jahr 2000 noch 15 private und kirchliche Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, wuchs ihre Zahl Jahr für Jahr auf heute 33 an, wie das NRW-Wissenschaftsministerium auf Anfrage mitteilt. Damals besuchten rund 13 300 Studierende einen der privaten Bildungsanbieter, das waren 2,7 Prozent aller Studenten. Im Jahr 2015 waren es 90 500, und sie stellen mittlerweile gut 12 Prozent aller Studierenden in NRW.

Ihre Zahl hat sich seit den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Im Vergleich der Bundesländer liegt NRW weit an der Spitze. Auf Platz zwei folgt Hamburg mit gerade einmal rund 24 000 Studierenden an privaten Hochschulen, gefolgt von Berlin und Hessen mit je gut 18 000. Zum Vergleich: Von 2005 bis 2015 wuchs die Zahl der Studenten an staatlichen Hochschulen in NRW von 437 584 auf rund 650 000.

Bildungsnischen besetzt

Größte private Hochschule in NRW ist die FOM Hochschule für Ökonomie und Management, die 1994 in Essen mit 149 Erstsemestern an den Start ging. Heute sind an den mittlerweile bundesweit 29 Standorten über 42 500 Studenten eingeschrieben. „Es ging konstant aufwärts“, sagt Thomas Kirschmeier von der FOM. „Alle ein bis zwei Jahre wurde ein neues Hochschulzentrum gegründet.“ Und ein Ende des Wachstums sei nicht abzusehen, „es sind schon einige neue Standorte konkret in der Planung“, sagt Kirschmeier.

Gegen das Argument, private Hochschule seien eine exklusive Veranstaltung für anspruchsvolle Karrierekinder reicher Familien wehren sich die Privaten. Vielmehr würden sie Bildungsnischen erfolgreich besetzen, die von staatlichen Unis wenig beachtet würden. „Wir verstehen uns als Ergänzung staatlicher Hochschulen für bestimmte Zielgruppen, vor allem für Berufstätige“, sagt Kirschmeier. Besonders in den Bereichen Wirtschaft, Marketing, Ingenieurwesen, IT- oder Gesundheitsmanagement, Weiterbildung und dualen Studiengängen bieten die Privaten ein breites Spektrum an. Hinzu kommen enge Kontakte zu den Unternehmen der Region, ein strikt praxisorientiertes Studium sowie flexible Zeitmodelle bis hin zum Online-Studium.

Schneller als die großen Uni-Tanker

Die Mehrzahl der privaten Hochschulen führt nach einer Analyse des Stifterverbands Personen an das Hochschulstudium heran, „die sonst vermutlich nie ein Studium begonnen hätten“. Die Hochschulen richten ihr Angebot „stark an den praktischen Anforderungen der Wirtschaft aus“, sagt Andrea Frank vom Stifterverband. Zudem könnten sie schneller auf aktuelle Trends reagieren als die großen Uni-Tanker. „Wir bewegen uns auf einem anderen Markt“, bestätigt Kirschmeier von der FOM. „Viele junge Menschen wollen zunächst eine Berufsausbildung machen, etwas Handfestes eben. Irgendwann aber merken sie, dass sie für eine Führungsposition ein Studium benötigen.“ Zudem fühlten sich manche an den kleinen Privathochschulen mit einem direkten Draht zum Professor besser aufgehoben als in den großen Massenunis mit überfüllten Hörsälen, glaubt Kirschmeier.

Ganz billig ist das allerdings nicht. Die Studiengebühren für ein Bachelor-Studium liegen nach Angaben des Stiftervebands zwischen 4000 und 12 000 Euro im Jahr. Die FOM beispielsweise verlangt etwa monatlich 300 Euro für ein Studium, bis zum Bachelor-Abschluss nach sieben Semestern würden etwa 12 500 Euro anfallen, rechnet Kirschmeier vor. Oft würden indes die Arbeitgeber der berufstätigen Studenten die Kosten übernehmen. „Das hat für beide Vorteile: Der Mitarbeiter erhält kostenlos ein Studium, und der Arbeitgeber bekommt langfristig gut qualifizierte Kräfte.“

Land sieht Entlastung

Dass sich trotz der hohen Dichte an staatlichen Hochschulen viele private Bildungsanbieter in NRW ansiedeln, wundert Experten nicht. In Ballungsräumen wachse der Bedarf an Fachkräften, die Privaten helfen, diese Lücke zu decken und finden eine entsprechende Nachfrage. Die Landesregierung begrüßt grundsätzlich den Boom der Privaten, nimmt dies doch Druck aus dem angespannten Hochschulsystem: „Ihr Erfolg hat zur Entlastung des Landes bei der Nachfrage nach Studienplätzen beigetragen“, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium.