NRW rechnet ab 2020 mit 1,5 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Damit wird Nordrhein-Westfalen beim Länder-Finanzausgleich wieder zum Geberland.
Düsseldorf.
Am Tag nach dem mühsam errungenen Finanzkompromiss der 16 Bundesländer wirkte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf der Regierungsbank im Landtag sichtlich zufrieden. Nach ihrer Rechnung hat NRW ab 2020 rund 1,5 Milliarden Euro mehr in der Kasse.
Positiver Nebeneffekt: NRW kann den Makel eines Nehmerlandes ablegen und wird wieder zum Geberland.
Bundesfinanzminister Schäuble muss der teuren Reform zustimmen
Dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der teuren Reform noch zustimmen muss, beunruhigt Kraft kaum. Hinter verschlossenen Türen liefen bereits mehrere Gespräche, in denen Berlin grünes Licht signalisiert haben soll. Ein Jahr lang war verhandelt worden. Aus Sicht von Kraft hat sich NRW durchgesetzt: Jedes Land erhält künftig entsprechend seiner Einwohnerzahl einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen.
Der NRW massiv belastende Umsatzsteuervorwegabzug ist weg. Bisher muss NRW bei der vorzeitigen Verteilung der Mehrwertsteuer Milliardensummen an andere Länder abtreten. Statt erst viel abgeben zu müssen, um dann (geringere) Zuwendungen zu erhalten, kann NRW bald direkt mehr behalten.
Alle Fraktionen sind erfreut
Alle Landtagsfraktionen freuten sich über höhere Einnahmen für das Land. FDP-Chef Christian Lindner sah aber bei allem Korrekturbedarf vor allem eine „sozialdemokratische Lösung“ der 16 Länder. „Wenn man keine Idee hat, greift man auf anderer Leute Geld zu.“ Die Länder hätten die Verteilmasse einfach erhöht – auf Kosten des Bundes, der jetzt pro Jahr mindestens 9,7 Milliarden Euro an die Länder überweisen soll – statt 8,5 Milliarden, wie bisher geplant.
Rechnerisch kassiert NRW danach für jeden NRW-Bürger 87 Euro pro Jahr zusätzlich, im Bundesschnitt sind dies aber 109 Euro. Selbst das reiche Bayern bekommt 105 Euro mehr – Mecklenburg-Vorpommern sogar 224 Euro.
Aus Lindners Sicht hat NRW schlecht verhandelt. Kraft & Co. sei es nur darum gegangen, vor dem NRW-Wahlkampf 2017 das schlechte Image eines Nehmerlandes loszuwerden. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hielt den Aspekt des „Geberlandes“ in der Tat nicht für unwichtig. Schließlich schauten Investoren auf die Wirtschaftskraft eines Landes.
Wie hoch ist Schäubles Preis für die Einigung?
Seit Jahren klagt NRW über die ungerechte Finanzverteilung. Einerseits wollte Kraft die Solidarität mit den ostdeutschen Ländern nicht preisgeben. Andererseits wurmte es die Regierungschefin, dass NRW trotz hoher Steuereinnahmen 2010 finanztechnisch zum Bittsteller degradiert wurde.
Auch nach der neuen Finanzformel attestierte CDU-Landeschef Armin Laschet aber ein Grundübel in NRW: „Wir müssen in der Wirtschafts- und Finanzkraft dieses Landes wieder stärker werden.“ Beim Werben für den Länder-Kompromiss in Berlin will Laschet der rot-grünen Landesregierung aber beistehen. „Der Bundesfinanzminister muss noch mitspielen. Wir werden helfen.“
Für den Piraten-Abgeordneten Dietmar Schulz ist die Sache noch nicht erledigt. Ganz ohne einen Preis werde sich Schäuble die Zustimmung zu dem 9,7-Milliarden-Zuschuss sicher nicht abhandeln lassen.
Warum muss der Länderfinanzausgleich neu geregelt werden?
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Die Finanzbeziehungen zwischen den 16 Ländern und dem Bund müssen neu geregelt werden, weil der bisherige Mechanismus 2019 endet. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Worum geht es?
Beim Länderfinanzausgleich werden die gesamten Steuereinnahmen mit dem Ziel verteilt, dass anschließend möglichst in allen Regionen Deutschlands ähnliche Bedingungen herrschen. Aktuell zahlen aber nur drei Länder – Bayern, Baden-Württemberg und Hessen – in den Ausgleichstopf ein, die übrigen Länder erhalten Geld – die Hauptstadt Berlin bekommt mit rund drei Milliarden Euro am meisten.
Was wollen die Länder?
Ihr Wunsch nach 9,65 Milliarden Euro folgt dem Prinzip: Alle bekommen mehr als bisher, und der Bund bezahlt es. Den größten Vorteil soll mit einem Plus von 1,5 Milliarden Euro Nordrhein-Westfalen verbuchen, gefolgt von Bayern mit 1,3 Milliarden. Baden-Württemberg erhielte 944 Millionen mehr, Sachsen 807, Niedersachsen 672, Rheinland-Pfalz 377. Den geringsten Zuwachs bekäme Hamburg mit 172 Millionen Euro.
Welche Gründe nennen sie?
Bayern und Hessen argumentieren mit Unterstützung Baden-Württembergs, das System sei faul, wenn nur drei Länder die übrigen 13 unterstützen müssten. Die ostdeutschen Regierungen verweisen auf die immer noch hohe Arbeitslosigkeit und die Kosten der Wiedervereinigung. Nordrhein-Westfalen hat ein besonderes Problem, weil viele Städte im Ruhrgebiet heillos verschuldet sind. Und alle zusammen sagen, dass sie die Milliarden-Ausgaben für die Flüchtlinge nicht aus eigener Kraft finanzieren können.
Wo soll das Geld herkommen?
Die Länder schlagen unter anderem vor, dass der Bund ihnen zusätzlich vier Milliarden Euro der Umsatzsteuereinnahmen abgibt. Weitere 1,5 Milliarden Euro soll das Bundesfinanzministerium für bedürftige Städte unter anderem in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stellen. Zusätzlich will man Hochschulen und Forschungsinstitute in den Ländern verstärkt mit Bundesmitteln fördern.
Wie will man die Umschichtung organisieren?
Der Länderfinanzausgleich in seiner bisherigen Form soll abgeschafft werden, vor allem der sogenannte Umsatzsteuervorwegausgleich. Damit musste bisher beispielsweise Nordrhein-Westfalen größere Summen abgeben, so dass das Land unter dem Strich zum Empfänger wurde. Das wollte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) unbedingt ändern. Künftig soll die Umsatzsteuer schonender umverteilt werden. Als Orientierungsgröße dient künftig die Einwohnerzahl.