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NRW-Tariftreuegesetz soll auf den Prüfstand

NRW-Tariftreuegesetz soll auf den Prüfstand

Düsseldorf. 

Claus Schwenzer geht einen Weg, den sich wohl nur ein so traditionsreiches Unternehmen wie der Mönchengladbacher Brandschutztor-Spezialist Effertz leisten kann. Der Geschäftsführer des 133 Jahre alten Betriebes nimmt einfach nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen teil. „Die öffentliche Hand verlangt teilweise Dinge, die seriös nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand machbar sind“, sagt Schwenzer.

Als die rot-grüne Regierungskoalition vor eineinhalb Jahren im NRW-Landtag das Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG) beschloss, stand schnell der Vorwurf im Raum, hier werde ein „Bürokratiemonster“ gezüchtet. Unternehmen, die einen Auftrag von Kommunen oder sonstigen öffentlichen Stellen ergattern wollen, müssen seither nicht mehr nur ein wirtschaftliches Angebot abgeben, sondern eine Mindestentlohnung ihrer Mitarbeiter von 8,62 Euro pro Stunde sowie zahlreiche Öko- und Sozialkriterien garantieren. Vor allem die „vergabefremden“ Nachweispflichten wie Frauenförderung, fair gehandelte Produkte oder Umweltfreundlichkeit halten viele für eine unpraktikable Zusatzbelastung.

Expertenanhörung im kommenden Frühjahr

Die FDP fordert deshalb mit Unterstützung der CDU die Abschaffung des Tariftreue- und Vergabegesetzes und hat einen Gesetzentwurf formuliert. Im Frühjahr wird es im Landtag zu einer Expertenanhörung kommen, bei der Scherbengericht gehalten werden soll. Die rot-grüne Mehrheit hat die Anzahl der einzuladenden Experten ungewöhnlich stark beschnitten. „SPD und Grüne haben offenbar Angst davor, mit der Realität konfrontiert zu werden“, ärgert sich FDP-Mittelstandspolitiker Ralph Bombis.

Bei der Firma Effertz lässt sich beobachten, dass selbst Wohlmeinende keinen Frieden mit dem Gesetz machen können. Geschäftsführer Schwenzer hat mit der Forderung nach Tariftreue gar kein Problem. Sein am schlechtesten bezahlter Mitarbeiter verdient 16 Euro pro Stunde plus Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Schwenzers Problem ist der Datenschutz. Er will nicht akzeptieren, dass jedes x-beliebige Kommunalunternehmen, das seine Brandschutztore von Effertz warten lässt, „sensible Lohndaten“ einsehen kann. Schwenzer hat Wirtschaftsminister Duin (SPD) bereits persönlich darauf angesprochen und vorgeschlagen, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer pauschal die Einhaltung der Tariftreue testieren zu lassen. Bislang ohne Resonanz. Zudem sei kaum seriös zu überprüfen, so Schwenzer, welches Entgelt Leiharbeiter oder Beschäftigte von Nachunternehmern erhalten.

Zu welchen Verzerrungen die neuen Vergaberegeln führen können, zeigte sich unlängst in einer niederrheinischen Kleinstadt. In einer vertraulichen Ausschreibungsrunde zur örtlichen Müllabfuhr mussten die Kommunalvertreter verblüfft feststellen, dass sie nicht dem preisgünstigsten Unternehmen den Zuschlag geben durften. Der um zehn Prozent teurere Konkurrent verfügte über die neueren Müllfahrzeuge und punktete damit entscheidend im Klimaschutz. „Es ist sehr ärgerlich, wenn öffentliche Ausschreibungen für Kommunen wie Firmen komplizierter werden und der Bürger am Ende auch noch höhere Gebühren zahlt“, kritisiert der CDU-Landtagsabgeordnete Bergmann.

Europäischer Gerichtshof soll entscheiden

Ungemach droht NRW zudem aus Europa. Die Vergabekammer Arnsberg hat das Tariftreue- und Vergabegesetz an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet. Höchstrichterlich soll festgestellt werden, ob die Stadt Dortmund elektronische Archivierungsleistungen im Rahmen der EU-Dienstleistungsfreiheit auch von einer polnischen Firma erledigen lassen durfte, die ihren Mitarbeitern deutlich weniger als 8,62 Euro pro Stunde zahlt. Hendrik Wüst, Chef des CDU-Wirtschaftsflügels in NRW, fordert Rot-Grün auf, die Lehren aus den vielfältigen Problemen zu ziehen: „Leider haben sich die seinerzeit vorgetragenen Befürchtungen in der praktischen Umsetzung in den vergangenen eineinhalb Jahren bestätigt.“