Teheran.
Die Tischfähnchen im iranischen Ministerium für Industrie wiegen sich friedlich in der Zugluft der Klimaanlage, als plötzlich die Schönheit der persischen Frauen zur Sprache kommt. Teherans Vize-Minister Valiollah Afkhami, ein Mann mit 30 Jahren Behördenerfahrung in der Islamischen Republik, empfängt NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD). Es soll hier fünf Monate nach dem Ende der westlichen Sanktionen um eine neue nordrhein-westfälisch-iranische Zusammenarbeit gehen.
Duin hat Henkel-Manager Peter Florenz mitgebracht, der von drei Fabriken schwärmt, mit denen der Düsseldorfer Konzern im Iran bereits Klebstoff und Waschmittel produziere. Nur mit der Kosmetik-Sparte sei Henkel nicht vertreten, obwohl das ein interessanter Markt sei. „Wenn man sieht, wie hübsch und aufwendig Kosmetik hier verwendet wird“, fügt Florenz hinzu. Afkhamis Protokollantin mustert verlegen die Tischplatte. Duin lächelt maskenhaft. Der iranische Übersetzer wiegt den Oberkörper. Gehört sich so ein Kompliment in einem islamischen Staat, der alle Frauen zum Kopftuch-Tragen zwingt und für seine brutalen Sittenwächter gefürchtet ist?
Vize-Minister Afkhami beugt sich vor, wendet sich an die „lieben Gäste“ aus NRW und fragt: „Warum hat Henkel hier noch keine Kosmetik-Fabrik?“ Er lässt Tee servieren.
Fast zehn Jahre lang gehörte der Iran zu den Geächteten der Weltgemeinschaft. Das umstrittene Atomprogramm führte Teheran in die politische und wirtschaftliche Isolation. Erst der moderate Staatspräsident Hassan Rohani brachte das Embargo Anfang des Jahres zu Fall. Seither wittern deutsche Firmen, die traditionell über gute Geschäftsbeziehungen zum Iran verfügten, neue Marktchancen. Duin ist mit einer 100-köpfigen Unternehmer-Delegation angereist. Bayern und Baden-Württemberg waren schon da.
Henkel baut auf Kosmetik – Bayern und Württemberg waren schon da
Rohani müsse „liefern“, um die religiösen Eiferer dauerhaft ruhig zu stellen, ist überall zu hören. Die Jugendarbeitslosigkeit von 25 Prozent und die Inflation von mehr als zehn Prozent müssten schnell sinken, um der Öffnung gen Westen auch bei den einfachen Leuten Akzeptanz zu verschaffen. Junge gebildete Frauen machen bereits die Hälfte der Studentenschaft aus. Viele tragen das Kopftuch lässig über dem Hinterkopf, während sie mit dem Smartphone im Internet surfen.
Wer sich als westlicher Journalist in Teheran umschauen will, tut dies auf Anraten der deutschen Botschaft besser nur in Begleitung einer autorisierten „Medienagentur“. Als Aufpasserin erscheint eine fröhliche junge Frau, die fließend Englisch spricht und einen „Freund“ mitbringt, der zwei Stunden lang keinen Ton sagt. Sie führt durch den traditionsreichsten Basar von Teheran, plaudert über das iranische Nationalgewürz Safran und gestattet Fotomotive mit größter Selbstverständlichkeit: „Machen Sie nur!“
„Das Land ist offener, freier und entspannter, als wir es von außen vermutet haben“, so Duin. Die NRW-Unternehmer bleiben vorsichtig. Ist der Öffnungskurs von Dauer? Die US-Wahlen im Herbst und Irans Präsidentschaftswahlen 2017 könnten die politische Großwetterlage wieder verändern, raunen sie. Die Zurückhaltung der westlichen Banken erschwert Investitionen. Schwindet die Toleranz der Mullahs, wenn der Ölpreis erst wieder steigt und mehr Wohlstand verheißt?