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Münchner Tatort will uns alles über deutsche Juden lehren

Münchner Tatort will uns alles über deutsche Juden lehren

In dem neuen ARD-Tatort „Ein ganz normaler Fall“ geht es nicht nur um einen Mord, sondern auch um das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden. Das Drehbuch ist überladen, die Ermittler fangen aber vieles wieder auf.

Essen. 

Es beginnt wie ein ganz normaler Krimi. Das Telefon klingelt und die beiden Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) werden zu einem Tatort gerufen. In einem Nebenraum der neuen Synagoge in München, am Ende einer schmalen Treppe, liegt ein Toter: Rafael Berger. In der Blutlache neben seinem Kopf steht mit Blut geschrieben das rätselhafte Wort „Moser“. Ist Berger unglücklich gefallen, wurde er gestoßen? Seine Tochter Leah wurde gerade erst auf dem jüdischen Friedhof beerdigt, sie hat sich selbst getötet. Und schon ist die 60. Folge mit dem beliebten Ermittlerduo (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) mittendrin in einer weithin unbekannten Welt.

Verhältnis zwischen Deutschen und Juden im Mittelpunkt

Gefunden hat die Leiche ein orthodoxer Jude, Jonathan Fränkel. Ein hübscher, ernster, jugendlich wirkender Familienvater mit Schläfenlocken, Kippah (Kopfbedeckung) und weißem, zugeknöpftem Hemd, wie es streng gläubige Juden tragen. Schnell erfährt der Zuschauer, dass Fränkel vorbestraft ist. Außerdem hätte er ein Motiv. Aber da ist noch Aaron, der geistig etwas zurückgebliebene Schützling von Rabbi Grünberg. Er droht völlig aufgelöst, sich wegen einer vermeintlichen Lappalie von einer Brüstung zu stürzen. Klingt alles, wie ein ganz normaler, spannender Krimi. Tatsächlich ist er alles andere als das. Denn es geht nicht nur um die Aufklärung eines Mordes, es geht auch um das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden, es geht um ein sensibles Thema.

Und wie es um dieses Verhältnis bestellt ist, verdeutlicht der Staatsanwalt. Er weist Batic und Leitmayr sehr direkt an, mit „Fingerspitzengefühl“ zu ermitteln. Die gucken sich verdattert an. Doch die anfängliche Unbekümmertheit vergeht ihnen bald. Denn je tiefer sie in die Ermittlungen einsteigen, desto rätselhafter wird ihnen die fremde religiöse Welt. Und desto intensiver schiebt sich die Erbschuld der Deutschen in den Vordergrund. „Sie ahnen gar nicht, wie oft gerade Unbeteiligte, in unserem Namen stellvertretend empört sind“, sagt die Chefin des Jüdischen Zentrums in dem Film. Und sie rät den Hauptkommissaren, den Fall als wäre es „ein ganz normaler Fall“, zu behandeln. Leitmayr fasst das heikle Thema in einen einzigen Satz: „Es ist nicht normal, normal ist nicht, wenn man immer noch über Normalität extra reden muss.“

Koscheres Essen und Sabbat-Rituale

Doch genau das wird in dem Tatort gemacht. Er ist vollgepackt mit Informationen zum Judentum. Beinah alles, was irgendwie dazu gehört, wird abgehandelt. Ob es das koschere Essen ist, die Fragen, warum Gott den Holocaust zugelassen hat oder ob Juden oder Römer Jesus ans Kreuz gebracht haben, selbst das Verhältnis zu Israel wird abgehandelt. Alles haben die Autoren Daniel Wolf und Rochus Hahn ins Drehbuch gestopft. Es ist hoffnungslos überladen. Erfreulich wohltuend heben sich die Ermittler davon ab. Ihnen gelingt es mit ihrer gewohnt lockeren Art, bisweilen humorvollen Art, dem Stoff die Schwere zu nehmen.

Ach ja, da ist noch die Frage nach „Moser“. „Din Moser“ verweist auf ein sehr altes jüdisches Gesetz. Danach ist ein Jude zu töten, der einen anderen Juden an Fremde ausliefern will. Ob es noch gilt, auch darum geht es.