Der evangelische Kirchentag ist vorbei – doch das Liederbuch des Protestantentreffens klingt noch nach. Mit einigen schrillen Tönen.
Berlin.
„Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur.“ Den alten Spontispruch aus den Siebzigern hat wohl noch so mancher im Ohr. Heutzutage taugt die Frage, ob Gott womöglich eine Frau ist, nicht mehr für Witzchen und flotte Sprüche, sondern wird, nun ja, zur humorfreien Glaubensfrage.
Auf diesen Gedanken kann man zumindest kommen, wenn man einen Disput betrachtet, der um das offizielle Liederbuch des gerade in Berlin und Wittenberg über die Bühne gegangenen Deutschen Evangelischen Kirchentags betrachtet.
Einige der gut 140 Lieder, die in dem in einer Auflage von rund 265.000 Exemplaren gedruckten Band aufgeführt sind, wurden mit dem Zusatz „Variationen/Alternativen in gerechter Sprache“ versehen. Gerecht – das heißt in dem Fall: in korrektem Gender-Deutsch. Das gefällt nicht jedem. Aber der Reihe nach.
Gelobt wird nicht der Herr, sondern „die Ew’ge“
Am Montag veröffentlichte die „FAZ“ unter der Überschrift „Ändergender gegen Gott“ einen Artikel über die „sprachlichen Missgriffe“ in dem Liederbuch. Die Autorin ätzt darin gegen die „absurden“ textlichen Änderungsvorschläge und den „Genderwahn“ in der Liedersammlung.
In der Tat wirken einige der Varianten in „gerechter“ Sprache recht bemüht und wenig überzeugend. So wird in dem aus dem Mittelalter stammenden Lied „Hinunter in der Sonne Schein“ aus „väterlicher Güt“ flugs „elterlicher Güt“. In dem Stück „Ich singe dir mit Herz und Mund“ wird aus „Herr“ und „Vater“ das geschlechtsneutrale „Gott“. Aus „Lobet den Herrn“ machen die Korrektoren das holprige „Lobet die Ew’ge“.
Und in dem Klassiker „Der Mond ist aufgegangen“ schlägt der alternative Text statt „So legt euch denn, ihr Brüder“ dem geneigten Sänger die Variante „So legt euch Schwestern, Brüder“ vor. Das Fazit der „FAZ“: „Das Liederbuch des Evangelischen Kirchentags spinnt.“
Kirchentag reagiert gelassen
Dieses drastische Urteil wurde von interessierter Seite gern aufgenommen. Die üblichen Verdächtigen, von der CDU-Renegatin Erika Steinbach bis zur AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die beide seit einiger Zeit ohnehin eine Privatfehde mit der evangelischen Kirche austragen, lästerten über das „Irrenhaus“ oder diagnostizierten „#hirntot“.
Beim Kirchentag selbst reagierte man gelassen auf die schrillen Töne. „Wir achten als Kirchentag insgesamt auf eine gerechte Sprache“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. „Wir sprechen beispielsweise von Teilnehmenden statt von Teilnehmern, oder von Helferinnen und Helfern statt nur von Helfern.“
Der Kirchentag habe im Liederbuch „keine Liedtexte geändert“, betonte die Sprecherin. Die „textlichen Alternativen“ seien auch „keine Vorgabe für alle, sondern eine Unterstützung für die, die unter bestimmten, besonders männlich geprägten Sprachformulierungen leiden“.