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Leipzig – das Gegenbild zu Galgen und Pegida-Protest

Leipzig – das Gegenbild zu Galgen und Pegida-Protest

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Foto: imago/Christian Thiel
Während in Dresden Pegida Erfolge feiert, hat die rechte Bewegung in Leipzig kaum Chancen. Eindrücke aus Sachsen.

Desden/Leipzig. 

Das Sinnbild der Menschenverachtung ist 1,20 Meter hoch, zusammengebastelt aus Holzlatten, daran zwei dünne Stricke. „Reserviert“. Einer für Kanzlerin Angela Merkel, einer für SPD-Chef Sigmar Gabriel. So steht es auf den Zetteln, die am Strick baumeln.

Ein Demonstrant trägt den Minigalgen durch die Dresdner Innenstadt. Es ist Montagabend, die Pegida-Bewegung marschiert durch die sächsische Landeshauptstadt. Zwischen 7500 und 9000 selbst ernannte „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sollen es diesmal sein. Es waren schon mal 25.000, und auch mal nur ein paar Hundert. Doch seit Deutschland wieder von Obergrenzen für Asyl und nicht mehr über Septembermärchen der Hilfe redet, haben die Islamfeinde Aufwind.

Abspaltung von Sachsen

Auf der Bühne von Pegida fordert die frühere AfD-Politikerin Tatjana Festerling eine Abspaltung des Freistaates Sachsen von der Bundesrepublik – einen „Säxit“. Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann nennt die schwarz-rote Regierung „unsere Berliner Diktatoren“. Es müsse „unattraktiver werden, in Deutschland Asyl zu beantragen“. Seine Worte sind oft dieselben, seit Monaten. Von diesem Montagabend bleibt vor allem das verstörende Bild des Galgens.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den noch unbekannten Pegida-Anhänger wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Störung des Öffentlichen Friedens. Auch Versammlungsfreiheit habe Grenzen, sagt Staatsanwalt Jan Hille der „Bild“-Zeitung. Dem Galgenbauer drohen drei Monate bis fünf Jahre Haft. Schon am vergangenen Wochenende sollen Gegner des Freihandelsabkommens TTIP eine Guillotine für Sigmar Gabriel gebastelt haben und damit auf der Demonstration in Berlin aufgefahren sein.

Doch es gibt ein Gegenbild zu Galgen und Pegida-Protest. Gut einhundert Kilometer entfernt, in Leipzig, zur selben Zeit am Montagabend, als in Dresden die Islamfeinde auftreten. Zum Frontkampf in der Flüchtlingskrise serviert eine Kellnerin auf dem Vorplatz frisch gezapftes Bier. Ein paar Meter davor grenzen Absperrgitter die Bühne mit der Deutschlandfahne ein, und der Redner flucht über Schlägereien in Asylunterkünften, berichtet von Frauen, die vergewaltigt würden. Nur sage das niemand, außer ihm. „Es wird verschwiegen, was nur geht.“ Von der Lügenpresse. Der Politik. Applaus.

In Leipzig stoßen die rechten Demonstranten auf Widerstand

Doch 60 Meter entfernt skandieren Gegendemonstranten „Nazis raus“ und „Alerta Antifascista“, auch sie stehen hinter Absperrgittern. Dazwischen Polizisten. Leipzig ist das Anti-Dresden.

Die Landeshauptstadt ist traditionell schwarz regiert, Leipzig seit der Wende von der SPD. Stojan Gugutschkow kann viel davon erzählen, warum Leipzig anders ist. Er leitet seit 25 Jahren das Referat für Migration und Integration der Stadt. Früher als andere Städte sei man den Kampf gegen Rechtsextreme mit einer Fachstelle angegangen. Schon 2012 habe Leipzig ein Konzept für die Unterbringung von Flüchtlingen ausgearbeitet. Die Hälfte aller Asylsuchenden sei in Privatwohnungen untergebracht. „Aber der Druck steigt auch hier.“

Irena Rudolph-Kokot, eine 40 Jahre alte Frau mit Rastazöpfen, steht hinter dem Absperrgitter, links im politischen Nahkampf. Die da drüben nennt sie wahlweise Unbelehrbare oder Rassisten. Und die da drüben nennen sich selbst Legida, der örtliche Ableger von Pegida. Die Pegida-Demos begannen vor einem Jahr in Dresden, seit Januar treten sie auch in Leipzig auf. Doch ihr Erfolg ist begrenzt. Legida hat die Demo angemeldet. Und Irena Rudolph-Kokot vom Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ vier dagegen. „Unser Konsens sind friedliche Widersetzaktionen“, sagt sie.

Legida ist kleiner als Pegida. Wer an diesem Montag dabei ist, trifft neben Neonazi-Gruppen auf Menschen, die sich von Hetze distanzieren. Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, missachtet. Ihre Antwort ist Fremdenhass. Oder ein diffuser Protest gegen den Islam, gegen Ausländer, aber auch gegen GEZ-Gebühren und pro Putin.