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„Lady El Kaida“ ist der Faustpfand

„Lady El Kaida“ ist der Faustpfand

Washington. 

Das Gefängnis-Krankenhaus in Carswell schaffte es früher nie in die Schlagzeilen. Die Bundeseinrichtung in Texas beherbergt verurteilte Straftäterinnen, die psychisch gestört sind. Redet keiner gerne drüber, auch nicht in Amerika. Seit Aafia Siddiqui vor vier Jahren dort eingeliefert wurde, um eine Haftstrafe von 86 Jahren anzutreten, richten US-Medien ihre Scheinwerfer immer häufiger auf die Kleinstadt bei Fort Worth.

Hochkarätige Vertreter von El Kaida, die Taliban und andere islamistische Terrororganisationen verlangen von den USA regelmäßig die Freilassung der 42-jährigen Mutter dreier Kinder – im Austausch gegen europäische und amerikanische Geiseln, die zwischen Pakistan und Nahem Osten teilweise seit Jahren als Gefangene festgehalten werden. Vor einigen Monaten soll die Terror-gruppe „Islamischer Staat“ (IS) angeboten haben, den (inzwischen enthaupteten) Journalisten James Foley zu verschonen, wenn Siddiqui freikommt.

Jedes Mal hat die Regierung in Washington bisher abgewunken. Für sie ist die im pakistanischen Karachi geborene Muslima, die am renommierten „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT) in Boston einst den Doktortitel in Neurowissenschaften erwarb, eine Patin des Terrors.

Siddiqui lebte bis zu ihrer Rückkehr nach Pakistan 2002 mit ihren drei Kindern in den USA. Sie wurde von ihren Eltern per Telefon zwangsverheiratet. 2003 tauchte sie unter. In jenem Jahr wurde der Onkel ihres zweiten Ehemannes, Khalid Sheikh Mohammed, mutmaßlicher Chef-Planer der Terroranschläge vom 11. September 2001, verhaftet und später nach Guantánamo überführt.

Siddiqui wurde gerichtsfest vorgeworfen, unmittelbar vor den Attacken in New York und Washington im Auftrag von El Kaida im afrikanischen Liberia unter einem Tarnnamen Blutdiamanten im Wert von 19 Millionen Dollar gekauft zu haben. Geld, das nach US-Angaben, zur Finanzierung von Terroranschlägen diente. Die Bundespolizei FBI setzte Aafia Siddiqui 2004 auf die Liste der sieben meist gesuchten Terroristen der Welt. Aber „Lady El Kaida“, wie sie in Geheimdienstkreisen hieß, war wie vom Erdboden verschluckt. Erst 2008 wurde sie in Afghanistan festgenommen.

Chemikalien, Ebola-Viren und Bombenanleitungen

In ihrem Gepäck fanden sich Chemikalien, Bedienungsanleitungen für den Bau von Bomben und den Einsatz von Ebola-Viren gegen die Zivilbevölkerung, sagt die US-Regierung. Außerdem Unterlagen, in denen von „Anschlägen mit vielen Opfern“ die Rede war. Bei einem Verhör soll Siddiqui mit einem Sturmgewehr um sich geschossen und US-Beamte verletzt haben. Die Anwälte der Frau behaupten bis heute, CIA und FBI hätten ihrer mental instabilen Mandantin eine Falle gestellt und die belastenden Dokumente untergeschoben. Überzeugt hat es nicht. Nach zweiwöchigem Prozess schickte Richter Richard Berman Siddiqui 2010 wegen der Vorbereitung eines Terroranschlags, versuchten Mordes und Waffengewalt gegen US-Beamte nach Carswell, mutmaßlich für den Rest ihres Lebens.

Die Entscheidung schlug hohe Wellen. Der frühere pakistanische Ministerpräsident Gilani trat nach Ausschreitungen auf der Straße vor das Parlament in Islamabad und sagte: „Wir stehen alle zusammen und wollen, dass die Tochter der Nation zurück nach Pakistan kommt.“ Daraus wurde nichts. Trotzdem bewegt der Name Siddiqui weiter die US-Politik. Zurzeit drohen die IS-Terroristen einer 26-jährigen Amerikanerin, die für eine Hilfsorganisation in Syrien arbeitet, mit dem Tod und bieten im gleichen Atemzug ihre Freilassung an, wenn Siddiqui Carswell verlassen darf. Selbst die Anti-Terror-Experten des Weißen Hauses rätseln: Warum ist die zierliche Frau für die Kopf-ab-Dschihadisten der IS von so großem Wert?