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Kritik an Abi-Pflicht für Krankenschwestern

Kritik an Abi-Pflicht für Krankenschwestern

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Foto: WR
Die EU-Kommission will eine einheitliche Ausbildung für Krankenschwestern, Krankenpfleger und Hebammen umsetzen. Käme es dazu, dürften nur noch junge Menschen mit Abitur ausgebildet werden. Deutsche Kliniken fürchten einen Personal-Notstand.

Meschede/Dortmund. 

Krankenhäuser fürchten eine drastische Verschärfung der Pflegesituation, wenn die von der EU-Kommission geforderte Änderung der Ausbildung von Krankenschwestern, -pflegern und Hebammen umgesetzt wird. Danach dürften nur noch junge Menschen mit Abitur ausgebildet werden. Derzeit hat rund die Hälfte der Pflegeschüler nur eine zehnjährige Schulausbildung – sie würden künftig von diesen Berufen ausgeschlossen.

Ab Montag geht das Thema im EU-Parlament in die Beratung. „Und dort wird es sehr kontrovers diskutiert“, berichteteder südwestfälische EU-Abgeordnete Dr. Peter Liese, der für die Christdemokraten Sprecher im zuständigen Ausschuss ist. Denn: In 24 der 27 EU-Länder ist die zwölfjährige Schulausbildung die Regel. Damit Berufsausbildungen vergleichbar werden, soll sich Deutschland dem vermeintlich höheren Standard an passen.

Gewerkschaft Verdi und Bundesärztekammer warnen vor Nachteilen

Doch: „Die Duale Ausbildung der Krankenpfleger in Deutschland ist von der Qualität mit der Ausbildung in anderen Ländern vergleichbar“, betont Liese, der selbst als Arzt im Krankenhaus arbeitete. Eine Anhebung der Zugangsvoraussetzungen hätte aus Sicht des EU-Parlamentariers erhebliche Nachteile: Viele geeignete junge Menschen könnten keine Ausbildung in einem Heilberuf machen – und den Krankenhäusern würde das Personal fehlen.

In einer breiten Koalition haben Krankenhausbetreiber, Gewerkschaft Verdi, Bundesärztekammer, private Anbieter sozialer Dienste sowie Verbände der Kranken- und Pflegekassen an die EU-Parlamentarier appelliert, es weiterhin bei einer zehnjährigen Schulausbildung als Voraussetzung für die Ausbildung zur Krankenpflegekraft oder Hebamme zu belassen.

Schon jetzt sei es schwierig, genügend Bewerber zu finden

„Schon jetzt ist es für viele Krankenhäuser schwierig, genügend geeignete Bewerber zu bekommen“, sagt Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW. Der bestehende Fachkräftemangel würde „massiv verschärft“, heißt es in dem Schreiben an die EU-Parlamentarier. Die neuartige Ausbildung hätte auch negative Auswirkungen auf die Situation in der Altenpflege.

Dass die Anforderungen weiter steigen, ist unstrittig. Dem könne aber durch Weiterbildungen und Qualifizierungen besser begegnet werden, als durch ein Anheben der Zugangsvoraussetzungen, sagt Anja Rapos, Geschäftsführerin des Mescheder St.-Walburga-Krankenhauses.

Höhere Qualifikation heißt nicht höheres Gehalt 

Wenn es nur noch Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen mit mindestens Abitur gibt – werden diese dann auch besser bezahlt? Wird dadurch das Berufsbild möglicherweise attraktiver? „Ich glaube nicht“, sagt EU-Abgeordneter Peter Liese. Die Hoffnung, dass mit einer höheren Qualifikation des Pflegepersonals automatisch eine bessere Bezahlung einhergehe, sei trügerisch.

Derzeit verdienen Krankenschwestern durchschnittlich rund 40.000 Euro brutto pro Jahr, berichtet Anja Rapos. Sicherlich sei ein höheres Gehalt wünschenswert – doch ob angesichts der angespannten Finanzlage im Gesundheitssektor höhere Tarife durchgesetzt werden könnten, sei fraglich.

Großbritannien eher als Negativ-Beispiel

Sollte es nur noch hochqualifizierte Pfleger mit Abitur und Studium geben, könnte sich das auch negativ auswirken, fürchtet Peter Schauerte, stellvertretender Pflegedienstleiter an dem Mescheder Krankenhaus. Zu Recht könnten diese sich mit Arbeiten wie Betten beziehen, Nachtschränke reinigen oder Infusionen wechseln unterfordert fühlen.

In Großbritannien, wo Krankenpfleger ein Studium absolvieren müssen, sei zu beobachten, dass viele einfache Pflegearbeiten nur noch von ungelernten „Pflege-Assistenten“ verrichtet würden – was zu „menschenunwürdigen Situationen“ führe, kritisiert eine Studie.