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Im Revier wachsen immer mehr Kinder in Armut auf

Im Revier wachsen immer mehr Kinder in Armut auf

Essen. 

Die Kinderarmut in den Städten des Ruhrgebiets nimmt immer besorgniserregendere Ausmaße an. Allein in Gelsenkirchen wachsen fast 40 Prozent aller unter 18-Jährigen in Familien auf, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. In Essen sind nahezu ein Drittel aller Kinder arm, in Dortmund und Duisburg drei von zehn Kindern. Auch Hagen, Oberhausen, Herne und Mülheim erreichen hohe Werte.

Die Zahlen veröffentlichte jetzt die Bertelsmann-Stiftung. Sie hat in einer Studie auf Basis statistischer Angaben der Bundesagentur für Arbeit den Anteil von Kindern in Hartz-IV-Familien berechnet. Ergebnis: Im Ruhrgebiet ist die Kinderarmut nicht nur hoch. Sie nahm zwischen 2011 und 2015 auch deutlich zu. In Gelsenkirchen stieg der Anteil von Kindern in Hartz-IV-Familien um sechs Prozentpunkte, in Dortmund, Essen und Duisburg um rund drei Punkte. Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) erklärte den starken Anstieg auch mit der Zuwanderung aus Südosteuropa. Seit 2015 seien 4000 Kinder und Jugendliche aus dem Ausland nach Gelsenkirchen gezogen.

Die wachsende Kinderarmut ist indes kein reines Ruhrgebietsproblem. Auch bundesweit nimmt der Anteil von Kindern, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, weiter zu – wenn auch nicht in dem Tempo wie im Revier. Fast zwei Millionen Kinder in Deutschland gelten laut der Bertelsmann-Studie als arm. Die Quote stieg seit 2011 leicht von 14,3 auf 14,7 Prozent – trotz der guten Wirtschaftslage. „Offensichtlich ist es der Politik bislang nicht gelungen, die Kinderarmut durch Reformen wirksam zu bekämpfen“, sagte Studienautorin Anette Stein der WAZ. Selbst in Bundesländern mit niedrigen Quoten wie Bayern ist die Kinderarmut gewachsen. Die Quote stieg in neun von 16 Bundesländern, am stärksten in Bremen (plus 2,8 Punkte), im Saarland (plus 2,6) und in NRW (plus 1,6).

Fachleute zeigten sich angesichts der Daten alarmiert. Bertelsmann-Expertin Stein forderte ein Umdenken beim System der Grundsicherung, das Kinder lediglich wie kleine Erwachsene betrachte. Die Dortmunder Sozialdezernentin Birgit Zoerner (SPD) nannte als Hauptursache für Kinderarmut die Arbeitslosigkeit in den Familien. „Da gibt es einen klaren Zusammenhang“, sagte Zoerner der WAZ. Sozialmissbrauch spiele bei der Zunahme „keine relevante Rolle“, betonte Zoerner.