680.000 Kinder kommen bundesweit im Jahr zur Welt, 98 Prozent in einer Klinik. Sinkende Geburtenraten, niedrige Honorare für eine Geburt bei massiv steigenden Versicherungsprämien machen den Hebammen das Leben schwer. Für NRW plant Gesundheitsministerin Steffens einen „Runden Tisch Geburtshilfe“.
Düsseldorf.
Hohe Haftpflichtprämien, niedrige Einkommen und der Rückgang der Geburtenraten nagen an der Existenz der Hebammen. Nach einer Protestwelle der verzweifelten Geburtshelferinnen mit bundesweit 130 000 Unterschriften verspricht die Große Koalition im Bund laut Koalitionsvertrag nun eine „angemessene Vergütung“. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) plant zudem 2014 einen „Runden Tisch Geburtshilfe“, um den gefährdeten Heilberuf dauerhaft zu erhalten.
Heute wird in Deutschland noch jede fünfte der 680.000 Geburten von einer freiberuflichen Hebamme begleitet – allerdings kommen 98 Prozent der Kinder in Kliniken zur Welt. Von den 1560 freiberuflichen Hebammen in NRW leisten laut Landesverband der Hebammen nur noch 378 Geburtshilfe. Alle übrigen bieten nur noch Vor- und Nachsorge an.
Für einen Wochenbettbesuch erhält die Hebamme 31 Euro – davon muss sie ihre Altersversorgung, Krankenkasse, Haftpflicht, Ausstattung und Fortbildungen bezahlen. Mit solchen Honorarsätzen sei die Freiberuflichkeit nicht mehr machbar, klagt der Hebammenverband.
Pauschale pro Geburt: 275 Euro. Nachts gibt es 52 Euro mehr
Wer als freiberufliche Hebamme tätig ist, muss eine Haftpflichtversicherung abschließen. Nach Angaben des Hebammenverbandes stieg die Versicherungsprämie in den letzten zehn Jahren von 450 Euro jährlich auf 4240 Euro. Ab 2015 sollen die Prämien auf 5000 Euro steigen. Zwar bleibt die Zahl der Geburtsfehler mit rund 50 Fällen im Jahr seit langem konstant. Die Behandlungskosten für Menschen mit Behinderungen, die bei der Geburt entstehen, sowie die Lebenserwartung dieser Menschen steigen aber an.
Freie Hebammen, die eine Frau bei der Geburt begleiten, erhalten pauschal 275 Euro. Bei Nachtgeburten (327 Euro) sowie Hausgeburten oder Entbindungen in Geburtshäusern zahlen die Krankenkassen 550 bis 695 Euro.
Verband fordert staatlichen Haftungsfonds
CDU-Sozialexperte Oskar Burkert sieht deshalb die Ankündigung im Koalitionsvertrag „absolut positiv“. In den nächsten Monaten müssten jetzt neue Regelungen für die Honorierung der verantwortungsvollen Aufgaben gefunden werden. Der Hebammenverband fordert einen staatlich finanzierten Haftungsfonds, der den Versicherern die Kosten über einer bestimmten Haftungsgrenze abnimmt. Davon ist Im Koalitionsvertrag allerdings nicht die Rede.
Der Deutsche Hebammenverband fürchtet auch um die Wahlfreiheit für Schwangeren. Die Frauen können bisher selbst entscheiden, ob sie in einer Klinik, einem Geburtshaus oder zu Hause entbinden wollen. Im Koalitionsvertrag wird zumindest klargestellt: „Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig.“
NRW-Ministerin Steffens betont, dass „Hebammen einen besonders guten Zugang zu werdenden Müttern“ haben. Ihre ganzheitliche Sichtweise prädestiniere „Hebammen für eine Rundumbetreuung der Familie und eine Lotsenfunktion im Bereich der frühen Hilfen“, sagte Steffens unserer Zeitung.
Konstant 450 junge Frauen in der Ausbildung
Im Landesverband Hebammen NRW sind 3600 Hebammen organisiert. 2012 gab es 145 000 Geburten in NRW-Kliniken – zehn Prozent weniger als vor zehn Jahren.
Die Zahl der Hebammen-Schülerinnen liegt seit Jahren konstant bei knapp 450. Allerdings sinkt die Zahl der Hebammen, die Geburtshilfe freiberuflich anbieten. Laut einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums verringerte sich ihre Zahl zwischen 2008 und 2010 bundesweit von 25 auf 21 Prozent aller Geburtshelferinnen.