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Hände weg vom Patienten

Hände weg vom Patienten

Hagen. 

Er gehört in vielen Kliniken noch dazu wie die Frage „Wie geht es uns denn heute?“ – der Händedruck des Doktors. Dabei lauern genau hier Millionen Keime, die von einer Hand zur anderen wandern und bei einem kranken Menschen zu schweren Infektionen führen können.

Während sich Experten mit der Theorie von Hygieneplänen abmühen, zeigt sich ein Bochumer Krankenhaus pragmatisch: Die Augusta-Klinik verbietet 1600 Mitarbeitern per Dienstvorschrift das Händeschütteln – ob mit Patienten oder untereinander. Der Händedruck wird generell verbannt. Auch Krawatten, Ringe oder Körperschmuck müssen draußen bleiben.

„Die Krawatte ist das dreckigste Kleidungsstück“, sagt Augusta-Geschäftsführer Ulrich Froese, der Initiator der „Hände-weg“-Maxime. „Auch die teure Uhr am Handgelenk wird es nicht mehr geben.“

Für Hygiene-Experten wie Prof. Walter Popp von der Uniklinik Essen ist die Abkehr vom Händedruck so sehr interessant, dass er das Thema auf der nächsten Hygienesitzung des Universitäts-Klinikums besprechen will. „Einige werden mich aber bestimmt für verrückt erklären.“

Die Hände sind der Dreh- und Angelpunkt im Hygienegeschehen. Natürlich wissen das die Hygiene-Experten der Kliniken schon lange. Doch die ­hohe Zahl der Todesfälle ist wohl ein Beleg dafür, dass das richtige Rezept noch fehlt. Während das Nachbarland Holland dank scharfer Kontrollen und Quarantäne-Vorschriften das Problem in den Griff bekommt, gilt NRW ­weiterhin als Problemzone, weil hier nicht genügend Kapazitäten vorhanden sind, so Experten. Froese: „Das, was hier passiert, ist mir einfach zu wenig.“ Froese spricht zum Beispiel von der Händedesinfektion. Sie sei viel zu fehleranfällig, zu aufwendig: ­desinfizieren, waschen, desinfizieren. Froese: „Bei der Visite kommt da einige Zeit zusammen. Man muss sich die Hände danach mal unter einer Speziallampe angucken, da ist man überrascht, was noch alles an Keimen vorhanden ist.“

„Hände weg“ – das hält NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) nicht für das Patentrezept. Doch weiß sie, dass jede dritte Infektion in Kliniken vermeidbar wäre, wenn die Hygiene stimmt. Dazu müssten aber die Vor­schriften eingehalten werden. Das Problem: Fehler in der Umsetzung etwa durch Klinikstress, mangelnde Ausbildung von Ärzten und Pflegern.

Nur Kontrollen helfen

Einig sind sich alle: Die Handhygiene sei der Schlüssel zum Erfolg. Denn nicht nur Allerweltskeime sitzen auf den Händen, sondern auch die resistenten Keime, gegen die keine Antibiotika mehr helfen. Da bleiben sie auch, sagen Experten aus den USA. Dass nur Überwachung etwas bringe, belegt eine US-Studie. Per Video wurde in ei­ner Klinik festgehalten, wie oft sich das Personal die Hände wäscht. Die Waschquote erhöhte sich von zehn auf 81 Prozent.

Gegen die Videoüberwachung klingt das Händeschütteln märchenhaft einfach. Doch viele sind auch skeptisch. Wie Prof. Wolf-Dieter Schoppe, Ärztlicher Direktor der Sana-Kliniken Düsseldorf: „Das Verbot hört sich so an, als traue ich meinen Mitarbeitern nicht zu, die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention umzusetzen.“

Das Problem sieht Froese wohl auch. „Aber ist es für den Patienten denn angenehm, wenn sich der Arzt nach dem Händedruck die Hände desinfizieren muss?“