Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, betrachtet den Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan als gescheitert und fordert den Abzug der Truppen.
Berlin.
Nach der Eroberung der afghanischen Provinzhauptstadt Kundus durch die Taliban fordert die Linke im Bundestag einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus dem Bürgerkriegsland. „Der ganze Kurs, die Probleme in Afghanistan militärisch lösen zu wollen, ist gescheitert“, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi der Deutschen Presse-Agentur.
Die radikalislamischen Taliban hatten am Montag Kundus eingenommen. Am Dienstag starteten die afghanischen Streitkräfte eine Gegenoffensive. Mehr als 800 Bundeswehrsoldaten sind noch zur Beratung und Ausbildung der einheimischen Streitkräfte in Afghanistan stationiert, 700 davon in Masar-i-Scharif 150 Kilometer westlich von Kundus.
Schwere Kämpfe um Flughafen Kundus
„Ich finde Bundeswehr und Nato sollten sofort raus aus Afghanistan. Sie können da auch gar nichts mehr bewirken“, sagte Gysi. „Ausbilden können wir auch hier, dazu müssen wir nicht dort sein.“ Natürlich müsse man Afghanistan helfen. „Aber wir können die inneren Auseinandersetzungen nicht von außen regulieren. Da müssen sie selbst Wege finden.“
In Kundus haben sich die Taliban und die afghanische Armee am Mittwoch den dritten Tag in Folge heftige Kämpfe geliefert. Am Flughafen der Stadt seien die Aufständischen mit 5000 Soldaten und der Unterstützung durch US-Kampfflugzeuge zurückgedrängt worden, teilten afghanische Sicherheitskreise mit.
Hunderte afghanische Sicherheitskräfte, die zur Verstärkung kommen sollten, steckten aber in der Nachbarprovinz Baghlan fest, weil Taliban-Kämpfer Straßen mit Steinen und Sandsäcken blockiert hatten. Trotz der Gegenoffensive der Armee hatten die Taliban am Tag zuvor den Flughafen an dem früheren Bundeswehr-Standort eingenommen.
Der Flughafen stand unter Kontrolle der Armee. Mittlerweile flogen Bundeswehrangehörige nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums als Teil einer internationalen Gruppe nach Kundus und informierten sich über die Lage vor Ort.
USA versprechen Hilfe beim Schutz von Kundus
Mittlerweile haben die USA der afghanischen Regierung ihre Unterstützung zugesichert. Washington werde genügend Mittel bereitstellen, um die in den vergangenen 13 Jahren gemachten Landgewinne zu schützen, sagte Pentagonsprecher Peter Cook am Dienstag. Die Lage in Kundus bleibe nach der Eroberung der Stadt durch die radikalislamischen Taliban „fließend“, sagte Cook.
Die USA hatten die Gegenoffensive der afghanischen Streitkräfte mit einem Luftangriff sowie mit Überwachungsflügen unterstützt, sich beim Vormarsch der Taliban sonst aber zurückgehalten. Grund für diese Entscheidung sei die mögliche Gefahr für die Zivilbevölkerung gewesen, sagte Cook. Die afghanischen Streitkräfte machten eine „schwierige Zeit“ durch. Die USA würden weiter mit Präsident Aschraf Ghani kooperieren, der die Rückeroberung der Provinzhauptstadt versprochen hatte.
EU-Beauftragter: Auch IS erstarkt in Afghanistan
Der EU-Sonderbeauftragte für Afghanistan hat vor einem Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in dem Land gewarnt. „In den vergangenen Wochen hat sich der IS in Afghanistan neu formiert“, schreibt Franz-Michael Mellbin in einem Beitrag in der Zeitung „Die Welt“. Die Extremisten hätten unter anderem Stammesführer brutal ermordet und ganze Familien gefangen genommen.
„Die afghanischen Sicherheitskräfte reagieren, aber sie sind überdehnt wegen der Operationen gegen starke Taliban-Offensiven an anderen Orten“, schreibt der Däne. Annahmen, die IS-Terrorgruppe werde in Afghanistan ein Randphänomen bleiben, hätten sich als unrichtig erwiesen. „Der Optimismus war verfrüht.“ (dpa)