Groschek erteilt Freigabe: „Kleine Gigaliner“ rollen in NRW
Verkehrsminister Michael Groschek gibt Straßen für kleine Gigaliner frei. Für die richtigen Giganten soll das Land aber weiterhin Tabuzone bleiben.
Düsseldorf.
Den meisten Autofahrern in Nordrhein-Westfalen wird die Neuerung kaum aufgefallen sein. Seit Mittwoch dürfen auf den Straßen zwischen Höxter und Heinsberg „kleine Gigaliner“ kreuzen. Es handelt sich dabei um drei Sattelzüge neuen Typs unter den 530 000 zugelassenen herkömmlichen Lkw.
Ein Politikum
Die „kleinen Gigaliner“ haben einen um 1,30 Meter verlängerten Sattelanhänger, der im Rahmen eines Modellversuchs von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun auch in NRW fahren darf. Die Gesamtlänge der neuen Lkw-Kombination beträgt maximal 17,80 Meter, ein herkömmlicher Lkw mit Anhänger brachte es bereits auf 18,75 Meter.
Dennoch rollt da seit Mittwoch ein Politikum über die Straßen. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sperrte sich lange und sehr grundsätzlich gegen die Feldversuche mit langen Lkw. Vor allem die neue Generation der „Gigaliner“ mit einer Länge von bis zu 25,25 Meter lehnte er ab. Im Verkehrsausschuss des Landtags warnte er immer wieder vor Gefahren durch „Monstertrucks“ auf den dicht befahrenen Autobahnen der NRW-Ballungsräume. SPD und Grüne befürchteten zudem ungewünschte „Verlagerungseffekte“ von der Schiene auf die Straße.
Umso größer war das Erstaunen, als Groschek im März die Tür zu Dobrindts Feldversuch zumindest einen Spaltbreit öffnete. NRW erteilte die Fahrerlaubnis für „kleine Gigaliner“ mit einem um 1,30 Meter verlängerten Sattelzug. Hintergrund war das Interesse einer Speditionsfirma aus dem Rheinland, die durch die neuen Lkw-Abmessungen leichter Waren am Güterbahnhof Köln verladen kann. „Mit der Genehmigung haben wie die Verlagerung von Gütern vom Lkw auf den Zug erleichtert“, so das NRW-Verkehrsministerium.
„Richtige“ Gigaliner mit mehr als 25 Metern Länge bleiben jedoch in NRW ein Tabu. Die Verweigerungshaltung des wichtigsten Transitlandes ist umstritten. Sieben andere Bundesländer testen noch bis Ende 2016 mit 112 Riesen-Lkw. „Das spart Sprit und entlastet Straße und Umwelt“, meint Dobrindt. Der Feldversuch laufe erfolgreich. Auch der Verkehrsexperte der FDP-Landtagsfraktion, Christof Rasche, monierte wiederholt, dass NRW eine Chance vergebe. Da auch Gigaliner das Höchstgewicht für Lkw von 44 Tonnen nicht überschreiten dürfen, müsse von „Ökolinern“ gesprochen werden. Ein geringerer Treibstoffverbrauch je transportierter Tonne sowie eingesparte Kohlendioxid- und Feinstaubbelastungen seien nicht zu verachten. Selbst die maroden Brücken in NRW würden geschont, wenn die Belastung auf mehr Achsen verteilt werde.
EU-Kommission drängt
Weniger rosig sehen den Versuch Bahnexperten. Da Gigaliner den Warentransport auf der Straße am Ende preiswerter machten, sei mit einer Rückverlagerung von der Schiene auf die ohnehin überfüllten Autobahnen zu rechnen. SPD und Grüne im Landtag sehen außerdem das Problem, dass Ortsdurchfahrten, Kreisverkehre oder kommunale Brücken gar nicht auf Lang-Lkw ausgerichtet seien.
Wie lange das „Nein“ aus NRW hält, bleibt fraglich. Auch die Europäische Kommission dringt schon länger auf eine Öffnung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs für Riesen-Lkw.