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Gewalt gegen Juden geht meist von jugendlichen Migranten aus

Gewalt gegen Juden geht meist von jugendlichen Migranten aus

In Berlin ist ein Rabbiner vor den Augen seiner Tochter verprügelt worden. Die Täter sollen arabischer Abstammung sein. Das sei typisch, körperliche Gewalt gegen Juden komme vor allem von jugendlichen Migranten, sagt eine Expertin. Vertreter jüdischer Gemeinden in NRW sprechen von wachsender Angst.

Essen/Berlin. 

Ein 53-jähriger Rabbiner ist am Dienstagabend in Berlin vor den Augen seiner siebenjährigen Tochter brutal zusammengeschlagen worden. Die Täter sollen Jugendliche arabischer Abstammung sein. Einer der Täter hatte die beiden angehalten und den Rabbiner auf seine traditionelle jüdische Kopfbedeckung, die Kippa, angesprochen. Dann hatte er gefragt, ob er Jude sei. Drei weitere Jugendliche kamen hinzu und stellten sich hinter Vater und Kind, dann schlug der vor ihm stehende Jugendliche mehrmals auf den Geistlichen ein und verletzte ihn am Kopf. Das Kind bedrohten die Täter mit dem Tod.

Übergriffe wie diese sind leider keine Seltenheit und werden vor allem von jungen Migranten verübt, ist sich Anetta Kahane sicher. „Die meisten Fälle antisemitischer körperlicher Gewalt kommen von jugendlichen Migranten“, sagte die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung der WAZ Mediengruppe. Verbale Gewalt und Sachbeschädigung komme stattdessen eher „aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft und von Nazis“, so Kahane weiter.

Gewalt gegen Juden vor allem in Ballungsräumen

Körperliche Attacken häuften sich vor allem in Ballungsräumen, sagt Kahane. Die jüdischen Gemeinden in NRW können zwar keine konkreten Vorfälle aus jüngster Zeit nennen, sprechen aber von wachsender Angst. „Es ist ein latenter Anstieg von Antisemitismus spüren“, sagt zum Beispiel Wilfried Johnen, Geschäftsführer des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Nordrhein.

Er spricht von einer leisen und langsamen Herabsetzung der Hemmschwelle. „Man hört oft dumme Sprüche auf der Straße.Antisemitismus wird salonfähiger. Das ist ein schleichender Prozess, das macht ihn so gefährlich.“ Und seine Kollegin Ruth Jacob-Prinz vom Landesverband Westfalen-Lippe gibt zu: „Die Ängste sind da, vor allem nach solchen Nachrichten.“

Satellitenfernsehen aus der Heimat prägt Judenfeindlichkeit

Wilfried Johnen sieht einen Grund für wachsende Judenfeindlichkeit junger Migranten im Satellitenfernsehen: „Der Antisemitismus wird durch Fernsehsendungen aus der Heimat, die oft gemeinsam in Kulturclubs geschaut werden, auf einem hohen Level gehalten.“ Dort werde ständig antijüdische Propaganda gezeigt. Verstärkt werde die Aggressivität durch Zukunfts- und Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher aus Migrantenfamilien.

Zentralrat der Juden fordert mehr Engagement von muslimischen Verbänden 

„Die Attacken scheinen sich in den letzten vier Jahren zu häufen“, sagt Anetta Kahane, „es gab Zeiten, in denen es deutlich weniger war.“ Zum Nachlesen hat die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt, eine Chronik antisemitischer Vorfälle seit 2002 auf ihren Internetseiten zusammengestellt.

Um Antisemitismus zu bekämpfen fordert Anetta Kahane vor allem eins: „Die Kultur des Verdrängens muss aufhören. Wir müssen in Deutschland einsehen: Es gibt ein Problem.“ Es müsse eine Selbstverständlichkeit werden, in einer multi-ethnischen Gesellschaft zu leben, die deutsch ist. Dazu seien das Bildungssystem, die Politik und die Gesellschaft gefordert. Kahane: „Integrationspolitisch leben wir in Deutschland im Mittelalter.“ Auch Wilfried Johnen fordert mehr Aufklärung und Bildung, um gegen judenfeindliche Strömungen anzukämpfen. „Das kommt bei uns zu kurz“, ist er überzeugt.

Rabbiner will sich weiterhin für den Dialog der Religionen einsetzen

Der Angriff auf den Rabbiner sorgte weltweit für Aufsehen. Der Zentralrat der Juden forderte ein härteres Durchgreifen der Justiz und von muslimischen Verbänden mehr Engagement im Kampf gegen Antisemitismus. Der Islamverband DITIB in Köln verurteilte die Tat als „feige“ und sicherte Solidarität zu. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), rief nach der Tat zu mehr Zivilcourage auf. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zeigte sich bestürzt über den Angriff.

Der Rabbiner will sich aber weiterhin für den interreligiösen Dialog einsetzen. „In meinen Grundfesten bin ich nicht erschüttert“, sagte der Rabbiner der „Berliner Morgenpost“. Ein dumpfer Schläger werde ihn nicht von seinem Weg abbringen. „Viele Menschen äußern ihre Anteilnahme, wünschen mir gute Besserung und sagen mir, wie sehr sie diese Tat verurteilen“, so der Geistliche.

Er erlitt bei der Attacke einen Jochbeinbruch und musste am Donnerstag operiert werden. Die Polizei fahndet mit Hochdruck nach den Tätern. (mit dapd/kna/afp)