Heute beginnen die Osterferien – für Abiturienten die wohl letzte Gelegenheit, ein paar Tage durchzuatmen. Hier erzählen junge Erwachsene aus der Jahrgangsstufe 13, die gerade ihr Abi bauen, von ihren Schulerfahrungen, Sorgen und Hoffnungen. Dicke Fragezeichen ziehen sich durch die Geschichten.
Essen.
Können wir studieren, was wir wollen, oder scheitern wir an der Zulassung? Sind wir Opfer oder Gewinner im Experiment Schulzeitverkürzung/doppelter Abi-Jahrgang? Hat die Schule uns gut aufs Leben vorbereitet? Diese und andere Fragen stellen sich fünf junge Erwachsene, die gerade ihr Abitur bauen.
„Unkonventionell“ nennt Leonie Herzog diese Generation. Sie kommunizieren mittels Smartphone, sie streben in ferne Länder, sie lieben die Freiheit. Und dennoch ahnen diese Jugendlichen, dass es schwer werden dürfte, den Lebensstandard ihrer Eltern zu halten. Ihre Träume sind sehr bürgerlich: Familie, Haus, Reisen. Und ganz wichtig: Sicherheit.
Svenja Hohendahl (19), Essen, Goetheschule Essen-Bredeney
Erst jetzt scheint die Öffentlichkeit festzustellen: Oh, wir haben ja einen doppelten Abi-Jahrgang. Ich finde das G8-Abi nicht gut, weil zum Beispiel Abiturienten, die erst 17 sind, ihre Eltern zur Uni-Einschreibung mitnehmen müssen. Das ist kein guter Start. Ich fühle mich Zwölftklässlern zum Teil unterlegen, weil ich finde, dass sie besser aufs Abi vorbereitet werden. Dafür haben sie auch viel mehr Stunden.
Ich fühle mich nicht so gut auf die Zukunft vorbereitet. Wir hatten ein Praktikum in der 11. Klasse – aber da haben viele einfach irgendwas genommen. Aber wie man sich an einer Uni bewirbt? So etwas ist zu kurz gekommen. Ich möchte Sportmanagement studieren, doch da liegt der NC bei 1,9. Nach der Schule gehe ich wohl für sechs Monate nach Australien. Meine Generation ist chaotisch. Wir kommunizieren in sozialen Netzwerken. Im Netz sind alle offen und witzig. Wenn man die Leute persönlich trifft, dann sind sie ganz anders.
Der Schul- und Hochschulpolitik gebe ich die Note 4.
Philipp Rentsch (19), Bochum, Hellweg-Schule Bochum-Wattenscheid
Unsere Generation ist vielleicht nicht aufmüpfig genug. Ich finde es zum Beispiel schlimm, dass gut ausgebildete Menschen zum Teil schlecht bezahlt werden.
Immer mehr junge Menschen möchten studieren. Ich glaube aber nicht, dass es genügend Studienplätze für uns gibt. Für ein Journalistik-Studium braucht man ein sehr gutes Abi. Was ist, wenn ich den NC nicht schaffe? Macht es dann Sinn, zu warten?
Wir mussten in der Schule Fächer wählen, die wir nicht belegen wollten. Wir sollen in Mathematik und Naturwissenschaften fit sein, weil der Arbeitsmarkt das so verlangt. Aber jemand, der sich für Politik interessiert, der wird kein Physiker. Man möchte, dass wir schon mit 17 oder mit 18 Abi machen. Und dann? Wer glaubt denn, dass ein 17-Jähriger allein nach Ostdeutschland zieht, weil dort die Studienchancen besser sind? Ich träume von einem festen Arbeitsplatz, der mir Sicherheit bietet.
Ich gebe der Schul- und Hochschulpolitik die Note 5 plus.
Leonie Herzog (19), Heiligenhaus, Heuss-Gymnasium Essen-Kettwig
Meine Generation ist unkonventionell. Wir können besser als es unsere Eltern konnten, das tun, was wir für richtig halten. Jetzt, in der Oberstufe, darf man auch Leistung zeigen, ohne gleich als Streber zu gelten. Das ist gut.
Ich möchte BWL oder Jura studieren, aber dafür ist wohl ein Einser-Abischnitt nötig. Sonst heißt es für mich: Wartezeit oder ins Ausland gehen.
Es gibt jetzt zwei Jahrgänge, die gleichzeitig Abi machen. Macht so etwas wirklich Sinn? Es wird immer schwerer, in ein Wunschstudium zu kommen. Was früher noch mit einer Note 2,5 möglich war, geht heute vielleicht nur mit einer Eins.
Uns, dem 13-er-Jahrgang, geht es besser als den G 8-Schülern. Wir hatten mehr Zeit als sie zum Lernen und zum Leben.
Ich hoffe, dass ich später mal den Standard, den meine Eltern erreicht haben, möglichst halten kann. Eine Familie möchte ich haben, ein Haus, ein Auto.
Ich gebe der Schul- und Hochschulpolitik die Note 3 minus.
Julian Meischein (18), Bochum, Hellweg-Schule Bochum-Wattenscheid.
Es gibt Schüler, die richtig planlos sind, Schüler, die eine grobe Richtung kennen oder andere, die schon alles festgezurrt haben. Ich zähle mich zur zweiten Gruppe. Mein Berufswunsch: Groß- und Außenhandelskaufmann oder ein Studium, eventuell Jura. An unserer Schule gab es viele Angebote zur Berufsvorbereitung: eine Uniwoche, Info- und Berufspräsenztage sowie eine persönliche Betreuerin der Arbeitsagentur. Die aber hat Schülern schon mal mit den Worten „Das schaffen Sie nicht“ vom Studium abgeraten oder ihnen komische Sachen empfohlen.
Heute sind wir durch die Bachelor- und Master-Studiengänge internationaler ausgerichtet als unsere Eltern, das ist ein Vorteil. Das eröffnet uns die Chance, im Ausland zu studieren. Beruflich möchte ich später mal erfolgreich sein, mich selbst verwirklichen können und auch Spaß haben. Ein unbeschwertes, aber kein zielloses Leben leben, vielleicht mit etwas Luxus.
Der Schul- und Hochschulpolitik gebe ich die Note 4 minus.
Jannis Voll (19), Dortmund, Bert-Brecht-Gymnasium Do.-Kirchlinde
Mich interessiert irgendwie alles und nichts. Viele Schüler sind in der Oberstufe ziel- und ratlos. Sie wissen nicht, was sie machen sollen. Ich weiß es auch noch nicht genau. Naturwissenschaften machen mich nicht an. Architektur finde ich interessant, Städtebau, Politik und Wirtschaft. Im Ruhrgebiet möchte ich aber nicht gern studieren. Die Unis sind hässlich und überfüllt.
Die Oberstufe war alles in allem entspannt. Ich war ein halbes Jahr in Kanada und habe danach problemlos wieder reingefunden. Reisen und Auslandserfahrungen sind mir wichtig. Zur Berufsvorbereitung in der Schule: Es gab berufspsychologische Tests von der Arbeitsagentur, aber die halfen mir nicht weiter. „Schauen Sie besser ins Internet“, hat man mir gesagt. Und dann gibt es die vielen NC: Richtig gute Leute können nicht Medizin studieren, weil sie den NC nicht packen.
Später möchte ich eine Familie haben und beruflich positiv in die Zukunft blicken können.
Ich gebe der Schul- und Hochschulpolitik eine 4 minus.