Satte Pensionen, generöse Ausstattung, hohe Honorare. Die Republik erregt sich zunehmend empört über Privilegien und Verdienste von Politikern. Eine kleinkarierte Neiddebatte? Mitnichten. Es ist die überfällige Auseinandersetzung mit der Frage, was Politikern zusteht – und was sie sich lieber verkneifen sollten.
Essen.
Dürfen Bundestagsabgeordnete umsonst 1. Klasse mit der Bahn fahren – und zwar sowohl dienstlich als auch privat? Die Bundestagsverwaltung meint ja. Und gewährt den Volksvertretern neuerdings freie Fahrt auf allen Touren. Egal, ob es zum Termin im Wahlkreis oder in den Urlaub, zum Parteitag oder auf Kegeltour geht – fragt der Schaffner, müssen die Abgeordneten nur ihr Frei-Ticket zücken. „Senk ju for träweling wis Deutsche Bahn.” Peer Steinbrück fuhr per Gratis-Ticket sogar zu einigen seiner hoch dotierten Rede-Termine.
Begründung: Kontrolle nicht möglich
Begründet wird die freizügige Regelung damit, dass eine Kontrolle, wann der oder die Abgeordnete privat oder geschäftlich unterwegs ist, nicht möglich sei. Solch eine Argumentation ist abenteuerlich. Millionen von Steuerzahlern müssen bei der Einkommenssteuer-Abrechnung peinlich genau darlegen, für welche Zwecke sie ihren Computer, ihren Wagen oder ihr Büromaterial brauchen, wenn sie die Anschaffung steuerlich geltend machen wollen. Warum sollte es für Politiker nicht zumutbar sein, Rechenschaft über ihre Bahnreisen abzulegen? Nur weil die Kontrolle schwierig ist? Man könnte die Abgeordneten doch einfach verpflichten, private Reisen privat zu bezahlen. Wer dagegen verstößt und dabei erwischt wird, ist dran. Aber so ein Freifahrtschein 1. Klasse ist natürlich einfacher und bequemer – für alle Beteiligten.
Nur wenige Tage vor der Ausweitung der Freifahrten-Regelung hat der Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen, dass es bei der Ehrensold-Regelung für Alt-Bundespräsidenten bleibt: Auch wer, wie Christian Wulff, vorzeitig aus dem Amt scheidet, erhält sein Leben lang den Ehrensold, derzeit also 199.000 Euro, ab Januar 217.000 Euro jährlich. Nur dass der Ehrensold bald nicht mehr Ehrensold heißt, sondern durch den unverfänglichen Begriff „Altersbezüge“ ersetzt wird. Ein bisschen zu schämen scheint man sich also doch. Der Vorschlag, die Bezugszeit des Ruhegeldes an die Amtszeit zu koppeln, wurde gleichwohl rigoros abgeschmettert. Und dass die Ex-Präsidenten künftig mit maximal vier Mitarbeitern auskommen sollen, werden sie verschmerzen können.
Gerhard Schröder stehen sieben Dienstfahrzeuge zur Verfügung
Doch nicht nur ausgeschiedene Staatsoberhäupter, auch frühere Regierungschefs genießen teure Privilegien. Etwa bei den Dienstwagen. Sozialdemokrat Gerhard Schröder stehen aktuell gleich sieben Dienstfahrzeuge zur Verfügung. Helmut Kohls Flotte besteht immerhin aus sechs Wagen, Helmut Schmidt begnügt sich mit deren vier. Gesamtkosten: rund 1,3 Millionen Euro. Sicher, die Spezial-Limousinen müssen ihre Insassen gegen potenzielle Anschläge schützen und entsprechend gepanzert sein, und die Ausstattung soll sich auch nicht an der Basis-Variante orientieren. Aber müssen es unbedingt sieben Wagen sein für Schröder?
Kostenlose Bahntickets, lebenslange Pension für zwei Jahre im Amt, teure Dienstwagen-Flotte – die Kosten mögen angesichts eine Bundeshaushalts von in diesem Jahr gut 300 Milliarden Euro aus der sprichwörtlichen Portokasse zu begleichen sein. Die Außen-Wirkung solcher millionenschwerer Privilegien ist dennoch verheerend, zumal in Zeiten, da Politiker alle Couleur gern von Sparzwängen reden, wenn den Bürgern mal wieder irgendwo was gekürzt wird.
Warum genehmigen Abgeordnete sich selbst ein Freiticket für Privatzwecke?
Nein, es ist kein platter Populismus zu fragen, warum Abgeordnete sich selbst ein Freiticket für Privatzwecke genehmigen und warum dies unbedingt eine Fahrkarte 1. Klasse sein muss. Nebenbei: Vielleicht täte es den Volksvertretern ja ganz gut, gelegentlich in der 2. Klasse eines voll besetzten ICE mit dem Volk auf Tuchfühlung gehen zu müssen, statt sich in der 1. Klasse zu verschanzen.
Und, nein, es ist keine Missgunst zu fragen, ob Christian Wulff für seine verkorkste Zeit im Schloss Bellevue derartig üppig ausgestattet werden muss. Was spricht denn gegen eine Sonderregelung für diejenigen, die frühzeitig aus dem Amt scheiden?
Und es ist auch kein Neid zu hinterfragen, ob ein Gerhard Schröder wirklich sieben Dienst-Limousinen braucht. Ein Alt-Kanzler muss nicht Golf fahren. Aber man bekommt den Eindruck, wenn es um den eigenen Vorteil geht, handeln Politker gern nach der Devise: Im Zweifelsfall darf es gern etwas mehr sein als weniger.