Die Separatisten im Donbass – Männer, die den Krieg lieben
Für viele Separatisten ist der Konflikt in der Ostukraine nichts Trauriges: Trotz aller Entbehrungen und Todesgefahr sind die Kämpfer vernarrt in die eigenen Waffen, die Kameraden, den Krieg. Die Bürger sind verunsichert – es herrscht das Gesetz der Kalaschnikow. Ein Besuch im Donbass.
Donezk.
In der Abenddämmerung bauen sich zwei Krieger vor uns auf. „Halt! Hierher!“ Der kleinere, ein hagerer Glatzkopf, starrt mich genauso feindselig an wie die Mündung seiner Kalaschnikow. Keine Sperrstunde, kein Sperrgebiet, nur ein Fußweg zwischen zwei Donezker Wohnhochhäusern. Aber mein Leben hängt in diesem Moment von einem adrenalingeladenen Mann ab, der seinen Zeigefinger am Abzug eines entsicherten Sturmgewehrs hat.
Eigentlich sind die Streifen der Aufständischen höflich zu ausländischen Journalisten. Aber wirkliche Rechtssicherheit verbreiten sie nicht. Die ostukrainischen Rebellenrepubliken Donezk und Lugansk haben gerade Parlamente und Staatsoberhäupter gewählt, trotz internationaler Nicht-Anerkennung formiert sich auf ihrem Gebiet ein Gemeinwesen, wächst neues Selbstgefühl. Man glaubt an die eigene Friedfertigkeit und daran, dass man den Krieg gegen die Ukrainer mit Gottes Hilfe gewinnen wird. Und für Ordnung sorgen Kalaschnikows.
Die Rebellenkrieger plaudern und scherzen
Es ist kein trauriger Krieg. Trotz aller Entbehrungen und Todesgefahr plaudern die Rebellenkrieger, scherzen und sausen in schwarz lackierten Kleinwagen durch nächtliche Städte.
Die Kämpfer sind vernarrt in die eigenen Waffen, die Kameraden, den Krieg. Vor laufender Kamera ballert der Bataillonskommandeur „Motorola“ aus einem automatischen Minenwerfer auf eine eigene Stellung, er und seine Männer lachen Tränen über die wütenden Funksprüche der Beschossenen.
„Ein Krieg der Paintball-Spieler“, schimpft ein Donezker Geschäftsmann. Auch die Gegenseite spaßt grausam. Im Dorf Stepanowka schossen ukrainische Panzer Löcher in die Fassaden der ansehnlichsten Ziegelhäuser. „Hinterher haben sie gesagt, in allen roten Häusern wohnten Separatisten“, klagt der Lastwagenfahrer Genadi, der seine Ziegelwand mit grauen Backsteinen geflickt hat.
Sturmgewehre als Spielzeuge
Die Ukraine sät Feindschaft. Außer sowjetnostalgischen Rentnern und schwerbewaffneten Heißspornen verwünschen auch immer mehr Geschäftsleute Kiew. „Die Ukrainer bombardieren uns und verlangen gleichzeitig, dass wir lieben“, räsoniert Ira, eine Zahnärztin aus der Stadt Tores, die eigentlich nichts von den Separatisten hält.
Die wiederum benutzen ihre Sturmgewehre als Spielzeuge, Dienstausweise und Kreditkarten. Der Taxifahrer Pawel erzählt, einmal habe er ein paar Soldaten zum umkämpften Flughafen gefahren. Dort forderten sie ihn auf, auszusteigen, sie bräuchten den Wagen, wären in fünf Minuten wieder zurück. Er sah sein Auto nicht wieder, beschwerte sich bei einem Rebellenkommandeur. „Na gut“, antwortete der. „Sie haben dein Auto geklaut. Wir erschießen sie dafür. Aber wer kämpft dann gegen die Ukros? Du? Wenn nicht, halt die Klappe!“
Beten für den Frieden
In der Lugansker Industriestadt Alschewsk versammelte der Stadthauptmann ein „Volksgericht“ über zwei Vergewaltiger, er ließ mehrere hundert Bürger per Handzeichen richten, einen verurteilten sie zum Tode. „Offenbar gibt es nur noch zwei Strafmaßen: Schützengräben ausgeben. Oder Tod durch Erschießen“, sagt Sportreporter Iwan.
Die Krieger aber fordern mehr Krieg. „Wenn wir Slawjansk jetzt nicht befreien, dann müssen wir es im Frühjahr unter viel höheren Verlusten befreien“, erklärt der graubärtige Feldgeistliche Wladimir. Andere wollen gleich bis zur polnischen Grenze stürmen. Besonnene Anführer, wie der Grubenmanager Waleri Chlopenik, der jetzt Sneschnoje verwaltet, rufen zur Geduld auf: „Bis die Zeit reif ist, und die Nachbargebiete unserem Beispiel folgen.“ Dieser Bürgerkrieg glüht vor Verlangen, zu expandieren.
Keine Verfassung, nur Schlachtpläne
Immer mehr Leute im Donbass sprechen von einem Krieg für den rechten, den russisch-orthodoxen Glauben. Die Pensionärin Ljudmila Sergejewna in Tores sagt, sie bete zweimal täglich für den Frieden und für den Sieg. „Gott ist mit uns.“
Donezk und Lugansk sind Republiken des Krieges geworden. Nachbarn und Landsmänner sind jetzt Todfeinde, die Grenzen eine Front, das dumpfe Kläffen der Artillerie hört man überall. Es gibt keine Verfassung, kein Regierungsprogramm, nur Schlachtpläne. Alle Hoffnung liegt jenseits des Sieges.
Am Blockposten zwischen Stepanowka und Sneschnoje steckt ein baumlanger Kommandant sein lachendes Gesichts ins Autofenster: „Ich wünsche euch in Deutschland, dass es euch so gut gehen wird wie uns hier.“
Ehe ich den Hintersinn seiner Worte durchdacht habe, zieht er mich aus dem Auto ins Halbdunkle einer neugezimmerten Blockhütte am Straßenrand. Ein Kanonenofen verbreitet fackelnde Wärme, der Riese strahlt, die Männer haben es sich in ihrem Krieg gemütlich gemacht.