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Die Mutter von Beate Zschäpe schweigt im NSU-Prozess

Die Mutter von Beate Zschäpe schweigt im NSU-Prozess

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Cousin And Mother Of Beate Zschaepe Testifies In NSU Murder Trial Foto: Getty
Annerose Zschäpe verweigert die Aussage, doch der Cousin der Angeklagten muss reden. Er hatte das Trio Mundlos-Bönhardt-Zschäpe überhaupt erst miteinander bekannt gemacht. Die drei, sagt der Zeuge, hätten sich von Anfang an gut verstanden. Und über Beate Zschäpe: „Sie war kein Mauerblümchen“.

München. 

Die Aussage beginnt um 13.08 Uhr und endet um 13.12 Uhr. In den vier Minuten dazwischen passiert dies: Die Zeugin, in grau gekleidet, nimmt im Gerichtssaal Platz, ihr Anwalt setzt sich neben sie. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl fragt die persönlichen Daten ab. Die Antwort kommt leise, aber bestimmt. Annerose Zschäpe, 61, Ingenieurökonomin, wohnhaft in Jena. Derzeit, sagte sie, pflege sie zu Hause ihre Mutter.

Die Angeklagte sitzt der Frau schräg gegenüber, in einem roten Rollkragenpullover, die langen, dunklen Haare zum Zopf gebunden. Sie lehnt sich weit zurück, zeigt aber ansonsten keine Regung. Beate Zschäpe ist die Tochter der Zeugin. Das Verhältnis der beiden sei kompliziert, ja zerrüttet, das hatte die Mutter bei ihrer Vernehmung der Polizei gesagt.

Mutter steht volles Zeugnisverweigerungsrecht zu

Doch dies will Annerose Zschäpe jetzt nicht mehr vor Gericht wiederholen. Als der Richter sie fragt, ob sie aussagen wolle, antwortet sie laut mit „Nein.“ Tatsächlich steht ihr als nächster Angehöriger der Angeklagten das volle Zeugnisverweigerungsrecht zu. Götzl versucht es noch einmal anders. Ob sie denn einverstanden sei, dass ihre polizeiliche Vernehmung im Prozess verarbeitet werde. Nein, lautet auch diesmal die Antwort.

Damit ist der Auftritt beendet, der mit so großer Spannung erwartet worden war. Erstmals seit langem passen nicht mehr alle Besucher und Journalisten, die angereist sind, in den Gerichtssaal. Deutlich mehr Fernsehteams als sonst haben vor dem Justizzentrum in der Nymphenburger Straße Kameras aufgebaut. Doch umsonst.

Cousin ist eine Art Taufpate des Trios

Oder nicht? Das Gericht hat noch einen anderen Zeuge geladen: Stefan A., 39, selbstständiger Bauhandwerker auf Mallorca. Er ist ein Cousin der Angeklagten, also kein Verwandter ersten Grades. Somit hat er auch nicht das Recht, die Aussage zu verweigern.

Er redet stockend, Details nennt er nur auf Nachfrage. „Wir waren“, nuschelt der Zeuge, „schon rechts gerichtet.“ Was heiße das, fragt der Richter. „Musik hören, getrunken, Spaß“, lautet die Antwort. Wie bitte? Wofür oder wogegen waren Sie? „Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, alles.“ Der Zeuge gilt als durchaus wichtig für die Beweiserhebung. Er fungierte damals, Mitte der 1990er Jahre, als eine Art Taufpate des Trios, das sich später „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte. So kannte Stefan A. Uwe Böhnhardt aus der Berufsschule. In den Pausen trafen die beiden auf Uwe Mundlos, der in einer benachbarten Schule lernte. Dann kam über Stefan A. auch Cousine Beate dazu. Die drei, sagt der Zeuge, hätten sich von Anfang an gut verstanden.

Mundlos, der Radikale – Bönhardt, der Waffennarr

Stefan A. war in dieser Zeit Skinhead, trug Bomberjacke und Springerstiefel. Er trank viel und führte, wie er sagt, „ein Lotterleben“. Dass er den Hitlergruß auf Festen zeigte, dass zum harten Kern der rechten Szene gerechnet wurde, will er nicht mehr wahrhaben oder gibt der nur auf hartnäckiges Nachfragen zu. Der Radikale, der Politische unter ihnen, sagt er, sei vielmehr Mundlos gewesen, er selbst habe eher der „Spaßfraktion“ angehört. „Uwe hat mal einer Zigeunerin ein Stück Kuchen an den Kopf geschmissen“, sagt der Zeuge, und habe am Computer Flugblätter für den Rudolf-Heß-Gedenktag entworfen oder „Hetzgedichte“ geschrieben.

Böhnhardt war dagegen der „Waffennarr“, der ständig mit Schreckschusspistolen herum lief und „daran herum spielte“. Seine Cousine beschreibt Stefan A. als „lieb und nett“, „eine Partymaus“, die schon mal „eins, zwei Flaschen Wein“ trank – aber auch als jemanden, „der sich nicht über den Mund fahren, sich nichts aufzwingen lässt“.

Zschäpe „hatte die Jungs im Griff“

Für den Vorsitzenden Richter ist dies ein zentraler Punkt. Die Anklage argumentiert, dass Zschäpe Mittäterin der mutmaßlichen Mörder und Bombenleger Böhnhardt und Mundlos war. Die Verteidigung zeichnet dagegen eher das Bild des Heimchens, des Anhängsels, das gar nicht so genau wusste, was die Männer machten. Also zitiert Götzl aus dem Protokoll einer früheren polizeilichen Vernehmung von Stefan A., in der er aussagte, dass Zschäpe „robuster im Umgang als normale Frauen“ gewesen sei. „Wahrscheinlich hat ihre Art die Männer zusammen gehalten, sie hatte die Jungs im Griff.“

Woran, fragt nun der Richter nach, habe sich das konkret gezeigt? Auch hier gibt Stefan A. keine richtige Antwort, sondern nur Allgemeinplätze. „Sie war kein kleines Mauerblümchen, sondern hat gesagt, so geht’s lang“, sagt er. Auf Nachfrage der Generalbundesanwaltschaft fällt ihm doch noch etwas ein: Einmal, bei einer Prügelei in einer Disko, habe Zschäpe jemanden „ein Glas über den Kopf gehauen“.

Ähnlich mühsam läuft die Befragung zu den familiären Umständen der Angeklagten. Seine Cousine sei vor allem bei den Großeltern aufgewachsen, erzählt der Zeuge, die Oma war die „wichtigste Bezugsperson“. Mit ihrer Mutter dagegen habe sich Beate Zschäpe oft gestritten. Spätestens, als die Tochter mit Uwe Mundlos zusammen kam, „sind sie sich mehr oder weniger aus dem Weg gegangen“. So wie am Mittwoch, im Saal A 101 in München.