Die Abschiebung Zehntausender Ausländer scheitert an fehlenden Papieren. Die Behörden klagen über schlechten Kontakt zu Botschaften.
Berlin.
Immer mehr abgelehnte Asylbewerber und Migranten ohne Aufenthaltsrecht können von den deutschen Behörden nicht in ihre Heimat abgeschoben werden, weil die notwendigen Reisedokumente fehlen. „Tendenziell ist die Anzahl der Ausreisepflichtigen, deren Duldung auf fehlenden Reisedokumenten beruht, im Verlauf des Jahres 2017 kontinuierlich angestiegen“, heißt es in einem internen Lagebericht des Bundesinnenministeriums (BMI), der unserer Redaktion vorliegt.
Demnach waren Ende 2017 insgesamt 64.914 Ausländer in Deutschland geduldet, weil keine Reisedokumente oder Passersatzpapiere aus dem Herkunftsland vorlagen. Ende 2016 lag diese Zahl noch bei 38.012 Personen – ein Anstieg um 71 Prozent innerhalb eines Jahres. Diese Personen bleiben mit einer sogenannten „Duldung“ nach Paragraf 60 des Aufenthaltsgesetzes vorübergehend in Deutschland.
Vieler Inder und Pakistani können nicht abgeschoben werden
Vor allem bei vielen Menschen aus Indien und Pakistan unterlassen deutsche Behörden eine Abschiebung in die Heimat, weil Papiere fehlen. So waren Ende 2017 laut BMI-Bericht 5743 Personen aus Indien aus diesem Grund in Deutschland geduldet. 4943 Personen waren es demnach aus Pakistan, 3915 Personen aus Afghanistan und 3828 Personen aus Russland. Bei fast 3800 Menschen ist die Staatsangehörigkeit für die deutschen Behörden „ungeklärt“. Das können etwa Kurden oder Palästinenser sein, die keinen eigenen Staat haben.
Der Bericht der Bundesregierung zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen deutschen Behörden und den ausländischen Botschaften in Deutschland bei der Beschaffung von Passersatzpapieren in vielen Fällen schlecht funktioniert. So listet der Bericht die „aktuelle Lage“ Ende 2017 zu mehreren Auslandsvertretungen auf.
Zu Indien heißt es etwa: „Streckenweise sehr langsame bis keine Bearbeitung der Passersatzanträge“ – trotz „regelmäßiger Besuche in der Botschaft“. Zu Pakistan heißt es: „Passersatzbeschaffung läuft, allerdings verzögert“. Und zum Libanon: „Antworten auf Anträge äußerst rar. Kontakt zur Botschaft ist schlecht.“ Die Zusammenarbeit mit der Türkei läuft laut Lagebericht von Ende 2017 „bundesweit schlecht bis sehr schlecht“.
BAMF entschied 2017 über mehr als 600.000 Asylanträge
Doch laut BMI-Bericht erzielen die deutschen Behörden auch Fortschritte. So sind Verhandlungen mit Russland Ende Januar 2018 „positiv verlaufen“. Und gerade in Richtung Westbalkan funktionieren Abschiebungen mit Ersatzpapieren offenbar sehr gut. Auch zur Zusammenarbeit mit den marokkanischen Behörden vermerkt das BMI: „Bearbeitung erfolgt schnell.“ Zu Algerien heißt es: „Passersatzbeschaffung funktioniert.“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte 2017 in mehr als 600.000 Fällen über Asylanträge entschieden. Bei mehr als 230.000 hatte die Behörde geurteilt, dass kein Recht auf Asyl vorliege. Ende 2017 waren somit insgesamt 228.859 Ausländer in Deutschland „ausreisepflichtig“. Allerdings sind laut BMI-Bericht mehr als 160.000 Menschen vorübergehend in Deutschland „geduldet“. Nicht nur weil den ausreisepflichtigen Personen Reisepapiere fehlen, sondern auch weil sie unter einer Krankheit leiden oder ihnen in ihrer Heimat Folter oder die Todesstrafe droht. (FMG)