Mit Joachim Kardinal Meisner geht in Köln der streitbarste deutsche Bischof in den Ruhestand – nach 25 Jahren. Bis zuletzt wollte er in seinem Amt die Kirche gegen den Zeitgeist verteidigen. Dabei vergaß er, dass die Kirche für die Menschen da sein soll – und nicht umgekehrt
Köln.
In den letzten Wochen sah es beinahe so aus, als wollte der Kardinal kurz vor seinem Abgang es noch einmal all seinen Kritikern zeigen. Wortgewaltig wie eh und je warnte er vor „sexueller Verwilderung“ der Jugend, attestierte der modernen Gesellschaft eine „Katholikenphobie“ und verprellte nicht nur Moslems, als er vor Mitgliedern einer konservativen katholischen Bewegung schwärmte: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“ Man darf getrost davon ausgehen, dass Joachim Kardinal Meisner die mediale Empörung, die jeweils folgte, als Ermutigung für sich empfunden hat.
Da war er noch einmal, der „Gotteskrieger vom Rhein“, der „Katholiban“ und „Krawall-Kardinal“ – nur eine kleine Auswahl der Beinamen, auf die die Medien den Kölner Erzbischof tauften. Meisner trug sie wie Orden. Kein deutscher Oberhirte war gleichzeitig so streitlustig und so umstritten wie er. 25 Jahre lang regierte er mit harter Hand Deutschlands größtes, einflussreichstes und mit jährlichen Kirchensteuereinnahmen von zuletzt mehr als 750 Millionen Euro auch finanzstärkstes Bistum.
Meisner und Köln – das hat nie gepasst
Er versetzte missliebige Pfarrer und boykottierte die katholische Herder-Buchhandlung, weil dort auch kirchenkritische Autoren lesen durften. Unfähig zum Dialog und sturköpfig in seiner Haltung verschreckte der „Fundamentalist“ (Spiegel) mit seiner unnachgiebigen – und in den Augen vieler unbarmherzigen – Haltung bei Themen wie dem Umgang mit Homosexualität oder der „Pille danach“ die Gläubigen in Scharen. Vielen Katholiken, nicht nur rund um den Kölner Dom, bleibt der Kardinal auch nach einem Vierteljahrhundert im Amt ein Fremdkörper. Meisner und Köln – das hat nie gepasst.
Joachim Meisner, zuvor Bischof von Berlin, wurde 1989 von Papst Johannes Paul II. auf den Chefposten am Rhein gehievt – gegen den erklärten Willen des Kölner Domkapitels. Und schon bald stellte sich heraus, dass die Skepsis berechtigt war. Der knorrige Asket Meisner wollte so gar nicht zum lebensfrohen, liberalen rheinischen und speziell zum kölschen Katholizismus passen. Meisner dachte nicht daran, sich seiner neuen Umgebung anzupassen, stattdessen förderte er obskure rechtskatholische Gruppen. Und auch die Gläubigen in Köln blieben auf Distanz.
300.000 Austritte in seiner Amtszeit
Die Auswirkungen sind auch an der Statistk abzulesen: Seit Meisners Amtstantritt traten im Erzbistum Köln rund 300.000 Gläubige aus der katholischen Kirche aus – mehr als in jeder anderen deutschen Diözese.
Was treibt Meisner? Ähnlich wie der Bayer Joseph Ratzinger ist der in Schlesien aufgewachsene Meisner, der früh den Vater verlor, tief verwurzelt in der Volksfrömmigkeit seiner Heimat, an die er sich bis heute mit aller Kraft klammert. Später, als junger Priester und Weihbischof im katholischen Eichsfeld, erlebte er zu DDR-Zeiten seine Kirche als Refugium vor dem real existierenden, kirchenfeindlichen Sozialismus. Eine heile Welt mit Wallfahrt und Kirchweih, Pilgerkreuzen und Prozessionen. Und sonntags war die Kirche voll. Der Glaube als Bollwerk inmitten von Feinden.
Die Wagenburgmentalität erhielt er sich
Diese Wagenburgmentalität prägt den Geistlichen bis heute. Sie wurde zu seinem selbst gemachten Gefängnis, außen vor blieb die Moderne. Denn die Moderne – auch das eine Parallele zu Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt – ist für Meisner der „Zeitgeist“, den es zu bekämpfen gilt: Relativismus und Individualisierung sind die erklärten Feinde. Da darf man nicht weichen, nachgeben bedeutet Schwäche. Bei einer Veranstaltung veranschaulichte er einmal seine Haltung so:„Sehen Sie, was passiert, wenn ich hier das Tischtuch nur an einer Stelle ziehe? Am Ende fällt das ganze schöne Geschirr herunter. So ist das auch in unserer Kirche.“