New York.
Hong Gyu Shin hatte sich bei 87 Millionen das Limit gesetzt. Völlig chancenlos. Larry Gagosian ging bis 101 Millionen mit. Auch noch viel zu wenig. Aus einer blickgeschützten Loge im New Yorker Kunsthaus Christie’s gab der Kunsthändler William Acquavella am Dienstagabend das letzte Gebot für das Triptychon „Drei Studien von Lucian Freud“ von Francis Bacon ab – und bekam mit 142,4 Millionen Dollar (rund 106 Millionen Euro) den Zuschlag.
Nachdem Auktionator Jussi Pylkkänen den Hammer fallen ließ, herrschte nach Berichten von Ohrenzeugen kurz Stille im Saal. Dann folgte verhaltener Applaus. Gerade eben hatte das bisher teuerste Kunstwerk der Auktionsgeschichte den Besitzer gewechselt. Für den Preis einer Boeing.
Bacons aus dem Jahr 1969 stammende dreiteilige Hommage an seinen Freund, Rivalen und für drall-monströse Fleischigkeit bekannten Mit-Künstler Lucian Freud, Enkel des berühmten Wiener Seelenarztes mit Vornamen Sigmund, war vor dem historischen Bietergefecht auf 86 Millionen Dollar taxiert worden. Eben die Summe, die bereits vor fünf Jahren die Versteigerung eines anderen Triptychons des Briten erbracht hatte, der mittels dieser Darstellungsform bereits die Wirtin seines Stammlokals und seinen Geliebten George Dyer für die Nachwelt eingefroren hatte.
Warum gerade Bacon?
Dass diesmal die Preislatte so viel höher lag, hat laut „New York Times“ selbst erfahrenen Auktionshasen die Sprache verschlagen. Bacons Werk stellt die Bestenlisten der teuersten Kunstwerke auf den Kopf. Spitzenreiter bisher: eine der vier Versionen von Edvard Munchs „Schrei“, der 2012 für 120 Millionen Dollar bei Sotheby`s in New York den Besitzer wechselte. Finanzmagnat Leon Black war es, den das Preisschild seinerzeit nicht bekümmerte. Wer diesmal das Portemonnaie noch weiter aufgemacht hat, ist noch ein Geheimnis.
Langjährige Beobachter des Auktionswesens in New York debattieren nun, was der Rekord zu bedeuten hat. Sinngemäßes Fazit der Debatte: In der Klasse der Superreichen ist der Hunger nach seltener Schönheit unstillbar. Dass Kunst als begehrter Rohstoff einer Kapital-Elite erscheint, die Bacon, Warhol, Richter, Rothko, de Kooning und andere erprobte Künstler als Anlageform wie Devisen oder Industrieanleihen begreift, hat vor allem mit der Globalisierung zu tun. „Die neuen Reichen der Schwellenländer von Asien bis Südamerika schieben sich nicht nur in der Forbes-Liste der Milliardäre jedes Jahr beständig nach vorn, sondern auch in der Welt der schönen Künste“, heißt es in einem Internet-Blog.
Aber warum gerade Bacon, dessen Kunst ob der deformiert gezeigten Körper als schwer verdaulich gilt? Der 1909 in Irland geborene homosexuelle Sohn eines prügelnden Pferdezüchters hatte in Berlin als Innenarchitekt gearbeitet, bevor er durch eine Picasso-Ausstellung in Paris seine Erweckung hatte – und Maler wurde. Bacon starb im April 1992 im Alter von 82 Jahren in Madrid. Sein gesamtes Schaffen umfasst, so die Sachverständigen, nur etwa 600 Gemälde. 200 davon hängen in Museen, der Rest ist auf dem Sammlermarkt.
Kurzum: ein rares Gut. Womit sich die Frage, wie der astronomische Preis zustande kam, für eine Kuratorin im Smithsonian-Museum in Washington verblüffend simpel beantwortete: „Francis Bacon wollen alle haben. Die Bilder werden nicht mehr. Die Käufer schon. Käufer mit viel, viel Geld.“