An Rhein und Ruhr.
Seit 2010 ist Thomas Kutschaty NRW-Justizminister. Der 46-jährige Essener stand jetzt bei einem Redaktionsbesuch Rede und Antwort zum Thema Haftanstalten. Das Interview:
NRZ: Herr Kutschaty, der schlechte bauliche Zustand mancher Haftanstalten in NRW war im Vorjahr immer wieder Anlass für Schlagzeilen. Wie reagiert das Land?
Kutschaty: Wir haben Haftanstalten in ganz unterschiedlichen baulichen Zuständen. Die Situation ist in manchen Bereichen tatsächlich schlecht. Deswegen haben wir als Landesregierung das größte Bauvorhaben in der Geschichte des Justizvollzugs in NRW auf den Weg gebracht. Wir werden unsere Haftanstalten nach und nach grundlegend sanieren. Im Haushalt 2015 sind 700 Millionen Euro eingestellt für den Bau von vier komplett neuen Haftanstalten in Münster, Köln, Willich und Iserlohn. Dort schaffen wir 2700 neue Haftplätze.
Das hilft aber nicht gegen Sicherheitsmängel in bestehenden Gefängnissen.
Sicherheitsstandards gehen natürlich vor. Da, wo Mängel sind, optimieren wir zwischendurch.
Vier Neubauten – das heißt, Sie stocken die Zahl der Haftplätze auf?
Nein, wir senken die Zahl der Haftplätze. Die vier Neubauten ersetzen vier alte Gefängnisse. Außerdem schließen wir einige kleinere Zweigstellen mit 80 bis 100 Haftplätzen, die wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn machen. Wir werden außerdem die Mehrfachbelegung von Haftplätzen zurückfahren. Jeder Häftling hat schließlich den Anspruch auf eine Einzelzelle.
Wie bitte? Im Altenheim oder im Krankenhaus hat niemand einen Anspruch auf ein Einzelzimmer. Im Gefängnis schon?
Ja, darauf gibt es einen Rechtsanspruch. Es gibt bereits die ersten Verfahren gegen Landesjustizverwaltungen, weil Menschen, die nicht in einer Einzelzelle untergebracht waren, nach ihrer Haftentlassung auf Schadensersatz klagen.
Wieso brauchen wir weniger Haftplätze?
Weil die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen sinkt, obwohl das subjektive Empfinden der Bürger sicher etwas anderes sagt. Es gibt weniger Verurteilungen.
Das könnte auch eine Folge rot-grüner Kuscheljustiz sein.
Fragen Sie doch mal bitte einen Richter, ob das mit seinem Ehrgefühl vereinbar wäre, dass er nur deshalb weniger verurteilt, weil der Justizminister von der SPD ist. Nein. Die Zahl der Straftaten geht zurück, das zeigt auch die Kriminalitätsstatistik der Polizei.
In Oberhausen wird jetzt ein Gefängnis abgerissen, das erst vor drei Jahren für einen Millionenbetrag zu einem Therapiezentrum für besonders gefährliche Straftäter umgebaut worden ist. Genau ein Mensch hat dort eingesessen. Das ist doch Wahnsinn.
Der Umbau war eine Entscheidung der Gesundheitsministerin, die durch europäische Rechtsprechung ausgelöst wurde. Eine nicht unerhebliche Zahl von Sicherungsverwahrten hätte demnach aus der Haft entlassen werden müssen. Der Bund hat ein Gesetz gemacht, um diese Leute trotzdem unterbringen zu können, mit der Folge, dass die Länder verpflichtet wurden, entsprechende Einrichtungen vorzuhalten. Niemand konnte wissen, dass in Oberhausen nur ein Mensch untergebracht würde. Aber der Umbau war trotzdem günstiger, als den Mann täglich von Polizisten observieren zu lassen.
Observiert werden müssen auch diejenigen, die aus den Kriegsgebieten in Syrien und dem Irak zurückkehren. Jetzt wird diskutiert, ob schon die Absicht von Extremisten auszureisen, um sich in Terrorcamps ausbilden zu lassen, unter Strafe gestellt werden soll. Ist das nicht zu weitgehend?
Ich warne trotz der Ereignisse in Paris davor, in Extremismus zu verfallen. Den Ideen des Bundesjustizministers stehe ich trotzdem offen gegenüber. Der Entzug von Reisepass oder Ausweis wird nicht zwangsläufig Leute davon abhalten, in Kriegsgebiete zu reisen, genauso wenig wie die Androhung einer Strafe für solche Absichten. Aber es kann durchaus abschreckende Wirkung haben. Man muss aber genau schauen, was rechtsstaatlich erlaubt und machbar ist.