CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat bekanntgegeben, auf seinen in Tschechien erworbenen Doktortitel zu verzichten. Scheuer nannte sich in Deutschland „Dr.“, obwohl er dazu in 14 von 16 Bundesländern eigentlich nicht berechtigt war. Auch Plagiatsvorwürfe holen den CSU-Politiker jetzt ein.
Berlin.
Es ist eine alte Kamelle. Für Andreas Scheuer ist der Drops aber jetzt erst gelutscht: Seit Freitag führt er seinen Doktortitel nicht mehr. Der CSU-Generalsekretär war ins Gerede gekommen. Plagiatsvorwürfe stehen auch im Raum. Aber ist erster Linie ist die Debatte ein Lehrstück über die Versuchung akademischer Würden.
Der Doktor, so hat es der frühere SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz mal ausgedrückt, sei „der Adelstitel für Bürgerliche“. Erklärt das schon, warum Plagiatsjäger auffällig oft bei Politikern bürgerlicher Parteien einen Treffer landeten? Die CSU ist seit der Guttenberg-Affäre waidwund – daher die rasche Schadensbegrenzung: Am Freitag gab Scheuer bekannt, dass er sich in Deutschland nun nicht mehr „Dr.“ nennen werde.
Daheim in Passau rümpften sie die Nase
Scheuer, 39 Jahre alt, seit 2002 im Bundestag, darf den Titel führen. Ebenso wenig ist der CSU-Politiker überführt worden, seine Promotion abgeschrieben zu haben. Und doch hat man daheim in Passau die Nase über seinen Abschluss gerümpft.
InfoEs geht um den „Doktor filozofie“ der Karlsuniversität in Prag, den Scheuer mit minimalem Aufwand und unter dem wohlgefälligen Auge eines Wissenschaftlers erreichte, der mit der CSU sympathisiert. Komplizierter wird es dadurch, dass der Titel nur von zwei Bundesländern anerkannt wird, von Bayern und Berlin. Eine Punktlandung: Er vertritt in Berlin den bayrischen Wahlkreis Passau. Hier darf er auf seinen Visitenkarten als „Dr.“ firmieren, woanders nur in der Light-Version – dem tschechischen „PhDr.“ Das ist kaum handhabbar. Was kommt aufs Wahlplakat, was auf die Homepage oder aufs Briefpapier?
154 Wörter soll er abgeschrieben haben
So lange Scheuer ein Hinterbänkler war, störte das nur ein paar Blogger in Passau, auch dann noch, als eine Plagiatsstelle gefunden wurde, eine kurze Textpassage, bloß 154 Wörter oder 1.200 Zeichen lang, die aus einem Online-Beitrag der Uni Münster stammen soll. Er hat die Uni gebeten, die Vorwürfe zu prüfen.
Mitte Dezember entschied sich CSU-Chef Horst Seehofer für ihn als Generalsekretär. Er passt zum Beuteschema der CSU: Markus Söder, Guttenberg, Alexander Dobrindt, Scheuer, allesamt jung, ehrgeizig, karriereorientiert und – mit Ausnahme Dobrindts – mit einem Doktortitel. Ist es der Turbo auf dem Weg nach oben? In der höheren Liga, in der Scheuer nunmehr spielt, ist die Aufmerksamkeit größer als in Passau. Kaum hatte die „FAZ“ süffisant die „große Geschichte vom kleinen Doktor“ erzählt, da war der CSU-Mann gestern eine Nachricht.
Promotion ohne Vorlesungen, ohne Tschechisch
Scheuer hat Politikwissenschaften in Passau studiert und 2001 den Master gemacht. 2004 promovierte der Jung-Politiker in Prag über das Thema „Die politische Kommunikation der CSU im System Bayern“. Sein Doktorvater war Rudolf Kuèera, der laut „FAZ“ über die Paneuropa-Union und die Sudetendeutschen eine besondere Nähe zur Partei hat. Scheuer hatte es nicht nur beim Thema leicht – wie andere Politiker vor ihm -, er musste weder Vorlesungen besuchen noch in tschechischer Sprache schreiben.
Der frische Doktortitel war politisch nützlich. Damals konkurrierte er um ein Direktmandat mit Dr. Klaus Rose, eine delikate Episode: Der Titel aus Prag verschaffte ihm Augenhöhe. In Passau war es schon im November 2005 ein Thema. Im Netz wurde über „den Blender“ hergezogen und erneut 2011, als er Verkehrsstaatssekretär wurde. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf und stellte sie aber 2005 wieder ein. Den Ärger konnte der CSU-Mann 2004 nicht absehen. Erst ab 2007 stuften die Länder Doktortitel tschechischer Herkunft strenger ein. Seither hatte Scheuer alle Anwürfe gegen ihn ertragen. Bis er am Freitag entnervt aufgab.