Einst haben SPD und Unionsparteien die gemeinsame Große Koalition (GroKo) verteufelt – nun scheint sie wieder attraktiv zu werden. CSU-Chef Markus Söder zeigt sich bereit, gemeinsam mit SPD-Kanzler Olaf Scholz die Regierung zu führen. Dazu fordert Söder den Bundeskanzler auf, FDP und Grüne aus der Regierung zu werfen, um mit der Union eine Große Koalition zu bilden.
Söder sagte, Deutschland brauche eine „Regierung nationaler Vernunft“. Er fordert Scholz auf, Grüne und FDP aus der Regierung zu schmeißen. Doch wie realistisch sind Söders GroKo-Fantasien?
Harte Kritik an Ampel-Koalition
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat in seiner Rede auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Braunschweig gepoltert, dass die derzeitige Koalition die „schwächste Bundesregierung“ sei, die das Land je erlebt habe. Der Regierung fehle es an Visionen für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen. Eine mögliche GroKo solle dies lösen.
Besonders hart ging Söder mit Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen ins Gericht. Er kritisierte, dass Habeck zu wenig von wirtschaftlichen Zusammenhängen verstehe. Es sei daher an der Zeit, dass Bundeskanzler Scholz einschreite und die grünen Minister aus dem Kabinett werfe.
GroKo-Flirt: Alleingang von Söder?
Söder brachte auch die Möglichkeit von Neuwahlen ins Spiel. Seiner Meinung nach wäre es am ehrlichsten, wenn die derzeitige Regierung zurücktreten und Neuwahlen abhalten würde. Allerdings räumt er selbst ein, dass dies unwahrscheinlich sei. Mit der Schwesterpartei CDU scheint Söders Vorschlag einer GroKo allerdings nicht abgesprochen zu sein. Die Spitze der Christdemokraten äußerte sich zurückhaltend zu den Vorschlägen ihres bayerischen Partners.
Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die Union mit 30 Prozent deutlich vor der SPD mit 15 Prozent. Trotz dieser Zahlen deutet Markus Söder an, dass der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bereit sein könnte, eine untergeordnete Rolle als Vizekanzler bei einer GroKo zu übernehmen. Doch ist das wirklich realistisch?
„Die Regierung bleibt“
Uwe Wagschal, Professor für Politikwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hält einen Regierungswechsel für höchst unwahrscheinlich. Er ist sich sicher: „Nach Lage der Dinge wird es keinen Regierungswechsel geben. Die Regierung bleibt.“ Dennoch sieht er eine Möglichkeit, wie Söders Fantasien Wirklichkeit werden könnten: „Erst bei einer außergewöhnlichen Krisenlage könnte es zu einem Wechsel, bzw. Erweiterung der Regierung kommen“.
Für Bundeskanzler Scholz und die SPD wäre dies jedoch ein großer Fehler, so Wagschal weiter: „Strategisch wäre ein Austausch der FDP und der Grünen auch ein Eingeständnis der Schwäche und einer Fehlentscheidung.“
Bei einem Regierungswechsel stellt sich auch die Frage, ob Olaf Scholz überhaupt im Amt bleiben könnte. Schließlich würde ein Scheitern der Koalition auch ihm angelastet werden.
GroKo ohne Scholz?
Zudem scheint ein Regierungswechsel ohne Neuwahlen kaum vorstellbar. Schließlich betonte auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, dass bei einem Zerbrechen der Bundesregierung kein Weg an Neuwahlen vorbeiführe. Für die Union wären Neuwahlen der bessere Weg, um die SPD bei einer GroKo zum Juniorpartner zu machen.
Für die SPD gibt es somit derzeit kaum vernünftige Gründe für einen Regierungswechsel. Die GroKo scheint also zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl in weiter Ferne.