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CDU-Parteitag: Merz-Kritiker Ruprecht Polenz über Abkehr von Merkel – „nicht gut für Partei“

Zum CDU-Parteitag sprach unsere Redaktion mit Ruprecht Polenz über das heiß diskutierte Grundprogramm und die Ausrichtung der Partei.

Zum CDU-Parteitag sprach Ruprecht Polenz mit unserer Redaktion über das Grundsatzprogramm.
© IMAGO/Jürgen Heinrich; IMAGO/Chris Emil Janßen

Stoiber drängte Schäuble 2015 offenbar zum Sturz Merkels

Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat laut den Memoiren von Wolfgang Schäuble (CDU) 2015 in der Flüchtlingskrise versucht, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu stürzen. Schäuble sei aber nicht auf Stoibers Ansinnen eingegangen, heißt es laut einem Bericht des "Stern". Das Buch soll kommende Woche erscheinen. Wolfgang Schäuble

Vom 6. bis 8. Mai findet in Berlin der CDU-Parteitag statt. Die Union steht nach wie vor an der Spitze der Umfragen. Doch das Grundsatzprogramm des Merz-Lagers ist hart umstritten. Viele sehen es als Kurswechsel und einer endgültigen Abkehr der Ausrichtung unter Angela Merkel an.

++ Dazu interessant: Islam: CDU ändert heiklen Satz über Muslime – Merkel-Flügel setzt sich durch ++

Zum Beginn des Parteitags sprach unsere Redaktion mit dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz über das Grundsatzprogramm, die aktuelle Richtung der Partei und über eine Abkehr des Merkel-Flügels.

CDU-Parteitag: Polenz über Grundsatzprogamm

Herr Polenz, auf dem CDU-Parteitag wird das Grundsatzprogramm diskutiert. Können sie sich selbst noch mit den Punkten des Programms unter Friedrich Merz identifizieren?

Polenz: „Die CDU blickt mit dem Grundsatzprogramm nach vorne und erklärt, mit welchen Grundüberzeugungen und von welcher Ordnungspolitik her sie die absehbaren Probleme und Herausforderungen der Zukunft bewältigen will. Da gibt das Programm an vielen Stellen gute Antworten, an anderen hätte ich mir eine klarere Beschreibung der Wertegrundlagen gewünscht, und bei manchen Punkten finde ich die Akzente falsch gesetzt.“

Bei welchen Punkten sind für Sie die Akzente falsch gesetzt?

„Ich habe mich in der Programmdiskussion engagiert und einen Änderungsantrag formuliert, den der Kreisverband Münster dann  eingebracht hat. Die Antragskommission hat allerdings eine Ablehnung empfohlen. Da geht es um den Begriff der ‚Leitkultur‘. Im Programmentwurf steht, diese solle ohne Wenn und Aber gelten. Doch in Deutschland gelten nur Gesetze ohne Wenn und Aber. In einer pluralistischen Gesellschaft leben wir davon, dass es kulturelle Vielfalt gibt.

Der Begriff der Leitkultur suggeriert, dass es kulturelle Elemente jenseits des gesetzlichen überhaupt gäbe, auf die sich wirklich alle einigen könnten. Es wird auch nicht gesagt, wie dieser Einigungsprozess vonstattengehen sollte. Wer definiert Leitkultur überhaupt? Was soll dazu gehören? Das sind Fragen, die man aus meiner Sicht beantworten müsste. So bleibt alles unscharf. Der Begriff Leitkultur lädt zu Ausgrenzung und Missbrauch ein.“


Ruprecht Polenz

  • geboren 1946 in Großpostwitz/Oberlausitz
  • bis 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages 
  • ehemaliger CDU/CSU-Außenpolitiker und Generalsekretär
  • seit über zehn Jahren Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. 

Diskussionen um Abschiebe-Shirt

Ein schwer umstrittenes Thema beim kommenden CDU-Parteitag ist der Antrag, das Wort „Abschiebung“ im Grundsatzprogramm unterzubringen. Dazu hat ein Mitglied der Jungen Union (JU) auf der Plattform X das Vorhaben sogar mit einem T-Shirt beworben, was dort zu einem Shitstorm führte.

„Ich glaube, er hat sich nicht das allermeiste dabei gedacht. Aber auf die Idee muss man ja erst mal kommen, Abschiebung mit einem T-Shirt zu bewerben. Wenn man auch nur ein bisschen darüber nachdenkt, ist es für die allermeisten Menschen, egal aus welchen Gründen sie von Abschiebung betroffen sind, ein sehr schmerzhafter Prozess.

Das umstrittene Abschiebe-Shirt eines JU-Mitglieds auf der Plattform X.
Das umstrittene Abschiebe-Shirt eines JU-Mitglieds auf der Plattform X. Foto: twitter.com/ohaeusler

Richtig ist sicherlich, dass wir uns um Kontrolle und eine humanitäre Steuerung von Migration bemühen müssen. Dafür müssen auch die Länder einbezogen werden, aus denen diese Menschen kommen. Wir brauchen Rücknahme-Übereinkommen mit ihnen, damit Menschen ohne rechtlich gesicherten Bleibegrund von ihnen zurückgenommen werden.

Das wird ein sehr komplexes Regelwerk mit Verträgen mit den Herkunftsländern und mit Drittländern erfordern. Da stehen wir am Anfang. Mir ist wichtig, dass bei allem die Standards der UN-Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet sein müssen.“

Auch beim Bürgergeld soll laut geplantem Programm ein schärferer, strengerer Kurs gelten. Gleichzeitung ruft Elmar Brok, ein bekannter langjähriger EU-Politiker Ihrer Partei, dazu auf, den Schwerpunkt stärker auf soziale Themen zu legen. Stimmen Sie Ihrem Parteikollegen zu?

„Ja. Das ist der Punkt, bei dem für mich die Akzente etwas verschoben sind und worüber ich nicht so glücklich bin. Natürlich muss es Kontrollen geben, dass nur die Menschen das Geld bekommen, für die es auch tatsächlich gedacht ist. Aber das ist bei den allermeisten Empfängern der Fall.

Wir hatten jetzt eine Bürgergeld-Diskussion, bei der es um diejenigen geht, die sich weigern, zumutbare angebotene Arbeit anzunehmen. Da muss man sicherlich sagen, das können wir nicht hinnehmen und das müssen wir irgendwie ändern. Aber es gibt gleichzeitig die übergroße Mehrzahl der Bürgergeld-Empfänger, die wirklich darauf angewiesen sind. Die darf man nicht pauschal unter Missbrauchsverdacht stellen.“

Das Ende des Merkel-Flügels?

Politische Beobachter sehen das Grundsatzprogramm von Merz zum CDU-Parteitag als Ende der Ära Merkel an. Sehen sie den sogenannten „Merkel-Flügel“ weiterhin als stark genug an, um gegen die umstrittenen Themen wie Abschiebungen durchzusetzen?

„Manche Anhänger von Merz haben zur eigenen Positionsbestimmung eine Abgrenzung zur Politik von Angela Merkel zu einer Art Markenzeichen gemacht. Ich halte diese Perspektive für sehr unglücklich und auch nicht für gut für die Partei. Ich hätte mir auch von der Parteiführung gewünscht, dass sie das nicht auch selbst befeuert hätte. 

Denn die CDU war in der Zeit mit Angela Merkel sehr erfolgreich. Vor allen Dingen, weil sie dazu geführt hat, dass sie mit ihrer Politik nicht isoliert war. Sie konnte mit allen anderen Parteien koalieren. Zur CDU gehört natürlich das Ansprechen von konservativen Themen. Doch sie wird nur den von uns allen gewünschten Erfolg haben, wenn sie sich breit genug aufstellt. Sie steht für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und ich glaube, das ist das, wonach sich die Menschen auch sehnen. Sie wollen diese Polarisierung nicht wirklich. 


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Die Stärke von konservativen Parteien ist nicht der große programmatische Wurf. Ihre Stärken sind Pragmatismus und Realismus: ‚Was kann man machen? Wie kommt man vorwärts und wie lässt man niemanden zurück?’“